Rumänien in der Krise: Nationalisten schüren Antisemitismus

Der Generalsekretär der ultranationalistischen Partei PRM bezichtigt die Juden, den Dichter Mihai Eminescu ermordet zu haben. Mit dieser Hetze geht er in Krisenzeiten auf Wählerfang.

Fahnen schwenken ist noch das Harmloseste, was Rumäniens Nationalisten derzeit auf der Pfanne haben. Bild: rtr

Der spätromantische rumänische Nationaldichter Mihai Eminescu (1850 bis 1889) ist von den Juden ermordet worden. Diese Ansicht vertritt der Generalsekretär der großrumänischen Partei (PRM), Gheorghe Funar. Anlässlich des 121. Todestags von Eminescu hatte Funar eine Pressekonferenz in der siebenbürgischen Stadt Cluj/Klausenburg einberufen, um seine spektakuläre Verschwörungsthese zu verkünden.

Eminescu, erklärte der frühere Senator des rumänischen Parlaments und nationalistische Scharfmacher, sei gezielt von den Juden getötet worden. Man habe ihn unter dem Vorwand einer Geisteskrankheit in eine Heilanstalt eingeliefert, eine falsche Diagnose gestellt und ihn zum Syphilitiker erklärt. Dann habe der jüdische Arzt Francisc Isack den langsamen Tod des "absoluten Rumänen" Eminescu durch Quecksilberinjektionen herbeigeführt.

Der Mord wird als eine von ausländischen Feinden ausgeheckte Racheaktion beschrieben. Dieser Gewaltstreich sei nichts anderes gewesen als eine Reaktion auf die kritische Haltung des Nationaldichters gegenüber der ethnischen und wirtschaftlichen Unterwanderung des rumänischen Volkes durch die Juden. In seiner Philippika, die im vollen Wortlaut von der großrumänischen Tageszeitung Tricolorul und dem rechtsradikalen Skandalblatt Napoca News abgedruckt wurde, forderte Funar das "auserwählte Volk" auf, sich zu dieser Tat zu bekennen, nachdem es Eminescu 121 Jahre lang als fremdenfeindlich und antisemitisch versucht habe zu diskreditieren.

Eminescu gilt als eine Galionsfigur der rumänischen Nationalisten und wird in den programmatischen Schriften der in der Zeit zwischen den Weltkriegen aktiven faschistischen Eisernen Garde als deren "Apostel" verehrt. Eminescu hatte behauptet, die Juden hätten die Rumänen mit ihrer "moralischen und physischen Dekadenz angesteckt", deshalb müsse man diese "unproduktive Rasse" "zur produktiven Muskelarbeit zwingen".

Der Eminescu-Kult gipfelte Anfang dieses Jahres in der Forderung einer ultranationalistischen "Schriftstellerliga" aus Klausenburg/Cluj, den Nationaldichter heiligzusprechen. Der harte Kern dieser "Schriftstellerliga" gehört zu den Herausgebern der Klausenburger Publikation Napoca News. Diese ist als publizistischer Resonanzkasten der ultranationalistischen und fundamentalistischen Gruppierung Neue Rechte in Erscheinung getreten. Die Zeitung hat auch Funar mit seinen Angriffen auf die ungarische Minderheit immer wieder publizistische Schützenhilfe geleistet.

Funar, dessen großrumänische Partei heute im Europaparlament vertreten ist, war von 1992 bis 2004 Bürgermeister von Cluj (ungarisch: Kolozsvár, deutsch: Klausenburg), der drittgrößten Stadt Rumäniens, in der von etwa 350.000 Einwohnern mehr als 60.000 der ungarischen Minderheit angehören. Um seine patriotischen und antiungarischen Aufwallungen für jedermann deutlich zu machen, ordnete er an, die Bänke in den städtischen Parkanlagen und auf freien Plätzen in den Farben der rumänischen Nationalflagge rot-gelb-blau anstreichen zu lassen.

Der Vorstoß von Gheorghe Funar, Eminescu als Opfer der Juden darzustellen, hat auch mit der wirtschaftlichen Krise zu tun, in der sich Rumänien derzeit befindet. Das radikale und unsoziale Sparprogramm der Bukarester Regierung, das unter anderem Rentenkürzungen und den geplanten Abbau von über 200.000 Stellen im öffentlichen Dienst vorsieht, löste in den letzten Tagen eine massive Protestwelle aus.

Erfolglos stellte die Opposition am Mittwoch dieser Woche im Parlament einen Misstrauensantrag. Die seit den letzten Wahlen im Jahr 2008 nicht mehr im Parlament vertretene großrumänische Partei wittert Morgenluft und versucht nun mit den alten nationalistischen Taschenspielertricks die verunsicherten Bevölkerungsschichten für die kommenden Wahlen zu mobilisieren.

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