Vivantes-Chef zur Krankenhausreform: "Das Problem wurde auf Eis gelegt"

Der Chef des landeseigenen Vivantes-Konzerns möchte die Umwandlung in eine kommunale Aktiengesellschaft - um dann über Anleihen an dringend benötigte Investitionsmittel zu kommen.

taz: Herr Bovelet, der Senat hat sich auf eine Lösung zur Zukunft der landeseigenen Kliniken geeinigt. Sind Sie mit dem Kompromiss zufrieden?

Joachim Bovelet: Für uns sind bisher keine Aussagen zur Finanzierung gemacht worden. Die entscheidenden Fragen sind für mich nicht abschließend geklärt. Es klingt, als sei das Problem auf Eis gelegt worden. Entscheidend ist, woher die dringend benötigten Investitionsmittel kommen sollen.

ist seit vier Jahren Chef des Vivantes-Konzerns. Zuvor leitete der 54-Jährige private Kliniken.

Als landeseigener Konzern unterstehen Sie dem Senat. Was ist der Unterschied zu privat geführten Häusern?

Die gut gemeinte Einflussnahme der Politik verzögert die Prozesse oft unnötig. Und es ist manchmal schwer, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Eines unser Hemmnisse ist zum Beispiel, dass wir pro Patient 120 Quadratmeter Platz haben - das ist viel zu viel. Wir müssten investieren, um diese Flächen abzubauen, und diese Gelder kriegen wir nicht.

Trotz stetiger Kürzungen der Landeszuschüsse haben Sie im abgelaufenen Jahr 53 Millionen Euro aus Eigenmitteln investiert. Woher haben Sie das Geld genommen?

Wir haben mehr Patienten behandelt, bei gleicher Personalstärke, außerdem gut verhandelt mit den Krankenkassen. Und die Beschäftigten haben dazu beigetragen: Sie haben jahrelang auf Teile ihres Gehalts verzichtet.

Könnten Sie denn weitere Betten abbauen wie die Charité?

Nach der Wende sind 20.000 Betten in Berlin abgebaut worden, dazu hat Vivantes maßgeblich beigetragen. Wir haben in unseren neun Kliniken eine durchschnittliche Auslastung von mehr als 90 Prozent. Das ist grenzwertig! Ich müsste Strukturen eindampfen, wenn ich noch mehr kürzen müsste.

Das heißt, Sie müssten Häuser schließen?

Ja.

Welche?

(Lacht).

Könnten Sie sich vorstellen, den Charité-Campus Benjamin Franklin zu übernehmen, wie es Finanzsenator Nußbaum vorgeschlagen hatte?

Das ist ja nun vom Tisch. Ich habe immer gesagt, ich könnte mir den Standort vorstellen - aber im bestehenden Gebäudekomplex ist eine normale Krankenhausversorgung nicht denkbar. Es gibt so viele Flächen für Lehre und Forschung. Da wäre ein Neubau kostengünstiger.

Auch von einer Fusion von Charité und Vivantes, der beide ja nicht abgeneigt waren, ist nicht mehr die Rede.

Dabei wäre das interessant gewesen. Die unterschiedlichen Kulturen bei Charité und Vivantes wären sicherlich ein Hemmschuh gewesen. Aber eine Holding als gemeinsames Dach, wie es die IHK vorgeschlagen hat, wäre für den Anfang nicht die schlechteste Idee.

Hätten Sie nicht Sorge, dass für Vivantes nur die Pflicht bleibt - die Patientenversorgung -, während sich die Charité mit Forschung und Lehre weiter profiliert?

Nein, von Kür und Pflicht würde ich da nicht sprechen. Die Wahrheit liegt in der Zusammenarbeit - denken Sie einmal an die Patientenforschung. Zusammen hätten wir eine so große Klientel, dass wir für Firmen in der Medikamentenentwicklung hochinteressant wären.

Sie haben einen eigenen Vorschlag vorgelegt: eine kommunale Aktiengesellschaft. Welche Vorteile brächte das?

Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit dem Land als Aktionär wäre keine Privatisierung, brächte aber Unabhängigkeit vom Senat. Als Vorstand würde ich handlungsfähiger. Zugleich müsste ich nicht die Renditeerwartungen erfüllen, wie börsennotierte Firmen es müssen. Ich könnte Anleihen vergeben und an Mitarbeiter Vorzugsaktien. Damit würden die Mitarbeiter enger an Vivantes gebunden.

Welche Reaktionen kamen auf Ihren Vorschlag aus dem Senat?

Ich warte auf eine Antwort.

Wie sieht denn die Zukunft für Vivantes aus, wenn wie seit Jahren weiterhin gar nichts passiert?

Das ist ein Zustand, den will ich mir nicht vorstellen.

INTERVIEW: KRISTINA PEZZEI

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