NAZIS: Den "Henker" im Blick

Innenverwaltung listet detailliert Straftaten in Verbindung mit der Kneipe auf. Bezirksamt Köpenick versucht den Nazitreffpunkt seit Monaten zu schließen.

Die Kneipe "Zum Henker" in Schöneweide hat sich auch über Berlin hinaus zu einem Treffpunkt rechtsextremistischer Gruppen etabliert. Vor allem die rechten Netzwerke "Freie Kräfte" und "Musik" sowie die inzwischen verbotene Kameradschaft "Frontbann 24" seien in dem Lokal in der Brückenstraße häufig Gäste gewesen. Das schreibt Innenstaatssekretär Thomas Härtel (SPD) in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei-Abgeordneten Marion Seelig. "Im Gegensatz zu anderen einschlägigen Lokalitäten dient das Lokal sporadisch auch als Ausgangspunkt von rechtsextremistischen Demonstrationen."

Die Kneipe existiert seit Februar 2009. Schnell hat sie sich in der rechten Szene als Treffpunkt etabliert - und ist als ein solcher auch bei Antifas bekannt. Am 30. April führte eine Demo von Linken dorthin: Die rund 700 Teilnehmer forderten die Schließung des "Henkers".

Neben dem normalen Kneipenbetrieb listet die Innenverwaltung in ihrer Antwort nun insgesamt neun rechtsextreme Veranstaltungen in der Kneipe auf. Darunter sind die Gründung einer Organisation mit dem merkwürdigen Namen "II. Deutsches Reich und Königreich Preußen" sowie eines Berliner Stützpunktes der bundesweit agierenden "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene".

Darüber hinaus zählt die Innenverwaltung in dem vierseitigen Schreiben minutiös Straftaten auf, die seit Anfang 2009 entweder im "Henker" selbst oder aber durch rechtsextreme Beschuldigte in der Brückenstraße begangen wurden. Rechte Propagandadelikte und Verstöße gegen das Waffengesetz waren dabei besonders zahlreich. Die schwerste Straftat geschah am 30. Oktober 2009. Zwei Zuwanderer wurden etwa 150 Meter von der Kneipe entfernt beleidigt und körperlich attackiert. Einer der Männer wurde dabei mit einer Glasflasche derart heftig ins Gesicht geschlagen, dass er trotz Notoperation erblindete.

Im August 2009 kam es der Innenverwaltung zufolge zwischen den Gästen des "Henker" zu einer gefährlichen Körperverletzung. Im September wurde eine gefährliche Körperverletzung festgestellt bei Auseinandersetzungen zwischen Lokalgästen und Männern, denen der Zutritt zum Lokal verwehrt wurde. Im Dezember sollen wurde eine gefährliche Körperverletzung bei der Verfolgung von Jugendlichen durch Leute, die aus der Kneipe kamen, festgestellt. Alle juristischen Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.

Anders als die rechte Szene selbst rechnen die Ermittler den Angriff auf den "Henker" mit zwei Brandsätzen im Oktober, bei der ein Rechter lebensbedrohlich verletzt wurde, nicht linken Gruppen zu.

Marion Seelig sagt zur Antwort der Innenverwaltung: "Die Zusammenstellung macht deutlich, dass der Henker ein Nazitreff von bundesweiter Bedeutung ist und dass in und um ihn viele Straftaten begangen wurden, von denen wir bisher nichts wussten." Sie fordert das Bezirksamt Treptow-Köpenick auf, gemeinsam mit der Innenverwaltung das weitere Vorgehen abzuwägen. Seelig: "Wegen der Vielzahl der Rechtsverstöße könnte ein Entzug der Schankerlaubnis durch das Bezirksamt angemessen sein." Zugleich habe die sehr detaillierte Antwort der Innenverwaltung hat auch gezeigt, dass die Ermittlungsbehörden die rechte Szene im "Henker" sehr gut beobachten könnten, so Selig. "Das ist möglicherweise für Ermittlungen besser, als würden die sich wieder in alle Winde zerstreuen."

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick versucht seit Monaten den "Henker" durch den Vermieter, eine Immobiliengesellschaft aus Erlangen, schließen lassen. Bisher war sie damit aber noch nicht erfolgreich.

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