Südafrikas Talente: Mozart in der Schulpause

Mit dem Kleinbus durch Südafrika: Routiniert und mit stimmungsvollen Bildern begleitet Ralf Pleger in "Kap der guten Stimmen" die Talentsuche der Oper Kapstadt. Montag, 22 Uhr, auf Arte.

Ein Workshop in Vryburg. Bild: ndr/ralf pleger

BERLIN taz | Als im Sommer vor zwei Jahren die Oper von Kapstadt für einen ganzen Monat nach Berlin kam, um an der Deutschen Oper ihre Version von Gershwins "Porgy and Bess" zu spielen, war die Kritik ziemlich ratlos. Manche maulten über einen Kassenfüller mit Multikultiappeal, und tatsächlich konnte die Inszenierung den Maßstäben des deutschen Regietheaters nicht genügen. Wer aber den Mut hatte, seinen Ohren zu trauen, stand erst recht vor einem Rätsel. Die Stimmen dieser allesamt völlig unbekannten Sänger und Sängerinnen waren unglaublich: jede für sich ein Ereignis, glühend vor Ausdruck und elementarer Musikalität selbst in den Nebenrollen. Wie war das möglich, ein Niveau, das die Standards des globalisierten Musikgeschäfts mühelos in den Schatten stellte, so endlos weit entfernt von den Zentren des Opernbetriebs?

Zu lösen war dieses Rätsel damals nicht. "Kap der guten Stimmen", ein Film des Musikjournalisten Ralf Pleger, produziert vom NDR und passend zum medialen Hype um die Fußball-WM auf Arte versendet, gibt nun immerhin ein paar sachdienliche Hinweise.

Pleger ist 2009 mit den acht Gewinnern eines jährlich ausgeschriebenen, privat finanzierten Gesangswettbewerbs durchs Land gefahren, auf der Suche nach neuen Talenten für die Oper von Kapstadt.

Wir begleiten die Truppe in ihrem Kleinbus durch prächtige Landschaften, besuchen Schulen, sehen die Begeisterung lachender Kinder und Jugendlicher in properen Uniformen und kargen Klassenräumen, wenn ihnen die Gäste ihre Kurzfassung von Donizettis "Liebestrank" vorspielen. Junge Mädchen singen in der Pause mal eben Mozart und schaffen spielend auch die schwierigsten Koloraturen. Oper, so scheint es, ist die dominierende Subkultur der Jugend Südafrikas.

So ganz glauben mag man das auch nach Plegers mit viel Routine heruntergedrehtem Film allerdings nicht. Zu leichtfertig bedient er das Klischee der glücklichen Armen mit der reichen Seele. Schon etwas realistischer beschrieb da July Mbongeni Zuma auf der Pressekonferenz zum Film, zu der die südafrikanische Botschaft eingeladen hatte, seinen Weg zur Oper: Andere spielten Fußball, er habe in Durban in den Chören gesungen, um von der Straße wegzukommen.

Zuma hatte die Talenttour geleitet, die Pleger gefilmt hat, heute lebt er mit einem Stipendium in Barcelona, um dort seine musikalische Ausbildung als Tenor fortzusetzen. Verlegen lächelnd beantwortet er die üblichen Journalistenfragen und sagt, dass er sich an die Rolle des Promoters noch gewöhnen müsse. Wir glauben es ihm sofort, stehen danach am Büfett im Botschaftsfoyer herum, und dann geschieht es wieder, das Wunder der Oper von Kapstadt: Zuma singt.

Er muss singen, damit wir endlich verstehen, was das heißt, nicht nur für ihn, sondern überhaupt. Das ganze Gerede und Gefilme reicht dazu nicht aus. So steht er da, alleine neben einem Klavier, das mal wieder gestimmt werden müsste. Die Akustik des Raumes ist grauenhaft, aber Zumas Stimme füllt ihn aus, klar und kräftig zeichnet sie eine Melodie, beleuchtet ihre objektive Schönheit von allen Seiten, ohne jemals ins bloße Gefühl abzugleiten.

Große Kunst ist das. Dabei wird natürlich auch in Plegers Film gelegentlich gesungen - aber das Format des Fernsehfeatures scheint das Zuhören zu verbieten. Mehr als ein paar Takte sind nicht erlaubt, dann kommt der Schnitt zum Statement, zur Landschaft, gern mit Sonnenuntergang, oder zur Blechhütte im Township. Ständig sind alle sehr glücklich, finden das Singen, die Oper und die Zukunft sehr wichtig, auch Desmond Tutu darf das sagen, und so weiter.

Schade, denn so lässt sich das Rätsel der ehemals rein weißen Provinzoper von Kapstadt nicht lösen. Nur eines stellt der Film glücklicherweise ein für allemal klar: An der Hautfarbe liegt es nicht. Eine der letztjährigen Gewinnerinnen des Talentwettbewerbs ist eine Burin und spricht eigentlich nur Afrikaans. Aber singen kann sie so gut wie der schwarze Zuma.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.