Kommentar Atombeschlüsse: Röttgens Entscheidungsschlacht

Umweltminister Röttgen hat sich zu den Spielregeln einer Laufzeitverlängerung klar positioniert. Gibt er der Industrie nach, kann man ihn politisch nicht mehr ernst nehmen

Schon bisher gab es viele Gründe, die von der Bundesregierung geplante Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke kritisch zu sehen - sie erhöht das Risiko und die Atommüllmenge, nützt dem Klima nichts und behindert den schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien. Doch immerhin hat Umweltminister Norbert Röttgen sich bisher um den Eindruck bemüht, dass es dabei rational zugehen soll: Ein Gutachten sollte den Bedarf ermitteln, technische Nachrüstungen sollten das Risiko begrenzen, und bei der Frage, ob der Bundesrat zustimmen muss, sollte nicht getrickst, sondern genau geprüft werden.

Wie viel diese Zusagen wert sind, wird sich wohl schon in Kürze zeigen. In der Koalition wächst der Druck, schnell eine Entscheidung über die Laufzeitverlängerungen zu fällen - vielleicht schon an diesem Freitag. Die Betreiber setzen derzeit alle Hebel in Bewegung, um neue Sicherheitsanforderungen zu verhindern. Und die unionsgeführten Länder drängen darauf, den Bundesrat zu übergehen.

Nicht nur für die Energiezukunft des Landes steht darum jetzt viel auf dem Spiel, sondern auch für Norbert Röttgen. Das Energiekonzept ist sein zentrales Projekt. Er hat sich zum Zeitplan, zur Nachrüstung und zur Einbeziehung des Bundesrats eindeutig positioniert - so eindeutig, dass er bei einem Einknicken politisch kaum mehr ernst genommen würde.

Auch die Regierung insgesamt täte sich keinen Gefallen. Denn das Kalkül, die Aufregung über die Laufzeitverlängerung werde sich bis zu den nächsten Wahlen schon gelegt haben, wird nicht aufgehen. Wenn die Laufzeiten gegen den Rat von Juristen, ohne energiepolitisches Konzept und ohne Auflage verlängert werden, wird auch dem Letzten klar, dass es dabei nur um eins geht: um Klientelpolitik für die Konzerne, die auf die Milliardengewinne aus ihren abgeschriebenen Altreaktoren nicht verzichten wollen. Der Druck aus der Bevölkerung wird dadurch nicht schwächer werden, sondern stärker.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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