POLIZEIGEWALT: Linke fordert Polizei-Kontrolle

Die Linkspartei drängt bei der Novellierung der Polizeigesetze auf einen unabhängigen Polizeibeauftragten und fordert die Kennzeichnungspflicht für Polizisten.

Ein harmloser, kreativer und friedlicher Stadtteilrundgang endete in Polizeigewalt: Übergriff am Rande des Antirassistischen Camps im August 2008. Bild: privat

Bei der Novellierung der Polizeigesetze - laut CDU/GAL-Koalitionsvertrag seit zwei Jahren überfällig - will die Linkspartei in der Bürgerschaft mitmischen. Das ist das Ergebnis einer Fachtagung der Linken im Rathaus mit Experten von Bürgerrechts- und Menschrechtsorganisationen unter dem Motto "Demokratisierung der Polizei".

Unisono unterstützten die Fachleute die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Abschaffung der Regelungen zur Rasterfahndung und dem Scannen von Kfz-Schildern im Hamburger Polizeirecht. Aber auch die "Gefahrengebiete", wo in Sonderrechtszonen seit 2005 in ganzen Stadtteilen Zehntausende verdachtsunabhängige Personenkontrollen durchgeführt worden sind, monierten die Experten. Stattdessen forderten sie die Kennzeichnung von Polizisten bei Großeinsätzen und die Einrichtung einer unabhängigen Institution, die gegen Polizeigewalt ermittelt. "Es bedarf einer externen Kontrolle, die Polizeigewalt minimiert und reduziert", sagte der Hamburger Kriminologe Fritz Sack.

Drei Jahre hatte Sack der von der damaligen Grünen-Fraktionschefin Antje Möller unter Rot-Grün ins Leben gerufenen Polizeikommission (PK) angehört. Bis sie vom rechtspopulistischen Innensenator Ronald Schill 2001 aus dem Verkehr gezogen wurde, hatte die PK mehrere hundert Beschwerden von Bürgern, aber auch Hinweise aus dem Polizeiapparat wegen Benachteiligung, Mobbings oder sexueller Delikte bearbeitet. Heute macht sich Möller wegen der "politischen Konstellation" in der schwarz-grünen Koalition eher für eine "Zentralstelle für Transparenz und Bürgerrechte" stark, die alle Behörden ins Visier nehmen soll. "Ich hoffe, dass der Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause das Licht der Welt erblickt", sagte Möller als Gastreferentin bei der Linksfraktion. Diese solle aber weniger einzelne Übergriffe aufarbeiten, sondern "strukturelle Defizite" in allen Behörden aufs Korn nehmen.

Möller gestand allerdings in der Debatte ein, dass die Idee einer Zentralstelle die Forderung nach unabhängiger Polizeikontrolle "verwässert".

Der Polizist Martin Herrnkind von der Sektion "Polizei-Recherche" der Menschenrechtsorganisation Amnesty International und Ausbilder an der Polizeischule Malente sowie Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie hatten deutlich gemacht, dass eine externe Kontrollstelle für Gewalt aus der Polizei notwendig sei, die Hinweise auf Straftaten aus der Polizei nicht gleich zur Anzeige bringen muss. Denn ein Hauptproblem sei, dass Beamte, die eine Gewalttat eines Kollegen beobachten, diese "sofort" zur Anzeige bringen müssten. "Oft ringen Kollegen tagelang mit sich selbst, fragen erst ihren Partner, ob sie Anzeige erstatten sollen", sagte Herrnkind. Und wenn sie es dann täten, müssten sie sich wegen Strafvereitelung im Amt verantworten, da sie nicht "sofort" Anzeige erstattet hätte.

In einem Fall, in dem der Einsatzleiter seine Beamten ermutigt hatte, Anzeige gegen einen Prügelkollegen zu erstatten, wären sie vom Staatsanwalt selber zu Beschuldigten gemacht worden, da sie nicht eingeschritten seien. Alle hätten somit vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht - das Verfahren gegen den Prügelpolizisten war vom Tisch. "Manche Staatsanwälte gehen in der Praxis anders vor, als es in der Rechtstheorie sein sollte", sagt Herrnkind. Das ist für die Innenpolitikerin der Linken Christiane Schneider auch der Beleg, weshalb in den letzten Jahren von jährlich rund 300 Strafanzeigen wegen Körperverletzung im Amt keine zur Anklage gelangte. "Genau deshalb wird ein unabhängiger Polizeibeauftragter gebraucht."

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