Bildungsalternativen: Das ist der Gipfel!

An der HU Berlin nehmen Studierende auf einem Gegengipfel die gleichzeitig tagende Bologna-Konferenz der Bildungsministerin auseinander. Ein Ergebnis: Mehr Eier-Werfer werden gesucht.

Die bessere Konferenz - jedenfalls ihrer Ansicht nach: Studierende in der Humboldt-Uni. Bild: ap

BERLIN taz | Mucksmäuschenstill ist es im Audimax der Humboldt-Universität. Rund 70 Studierende haben sich auf den Klappsitzen niedergelassen und verfolgen gebannt die Bilder, die ein Beamer an die Wand wirft. Darauf ist gerade ein Vertreter des Bundesverbandes liberaler Hochschulgruppen zu sehen. "Ich würde mir wünschen, dass Probleme im Bildungsbereich anhand von empirischen Daten besprochen würden", sagt er. Sofort ist es mit der Stille vorbei. "Heuchler", ruft einer, andere pfeifen, vereinzelte Buh-Rufe.

Die Übertragung der Bologna-Konferenz von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) in das Audimax der HU am Montagvormittag gleicht der Übertragung eines Fußballspiels, in der alle Zuschauer für einen Verein sind, der gerade - trotz hartem Trainings, trotz engagierter Vorbereitung - verliert. Die Reihen sind daher nur dünn besetzt, einige lernen zwischendurch, andere lesen Zeitung.

Dass der Gipfel überhaupt zu Stande gekommen ist, ist ein Erfolg der Proteste im vergangenen Jahr - da sind sich alle einig. Zehntausende gingen damals alleine in Berlin auf die Straße. Am Ende stand das Angebot der Bildungsministerin, sich auf einem Gipfel zu treffen. Es folgten Vorbereitungstreffen mit verschiedenen Hochschulgruppen, Vorschläge wurden ausgearbeitet, Kompromisse getroffen.

Doch die Studierenden im Audimax fühlen sich nicht einbezogen. Als ein Aktivist des Bildungsstreik-Bündnisses auf Schavans Konferenz außer der Reihe an das Mikrofon tritt und kritisiert, dass im Vorfeld Themen aus der Konferenz herausgenommen wurden, applaudieren die HU-Zuschauer. "Wir sind zur Kommunikation bereit, aber bitte auf Augenhöhe", sagt er. Der Moderator bemüht sich um Fassung: Es gebe doch einen straffen Zeitplan und eine Rednerliste, die eingehalten werden möge. Doch die Aktivisten mögen gerade nicht, verteilen Flugblätter, hängen gelbe Protest-T-Shirts auf - und verlassen dann die Konferenz.

"Wir haben damit deutlich gemacht, dass wir die Veranstaltung für eine Farce halten", sagt Ben Stotz später vor dem Hörsaal der HU. Er hat die Proteste im vergangenen Jahr mitorganisiert und beim Gipfel auf dem Podium gesessen, ehe er gemeinsam mit drei anderen Aktivisten die Veranstaltung verlassen hat. Die geringe Zahl der Studierenden im Hörsaal beunruhigt ihn nicht. "Das werden nachher noch mehr." Nachher, damit meint Stotz einen Gegengipfel, der die Ergebnisse der offiziellen Konferenz auswerten soll.

Am Nachmittag ist das Audimax tatsächlich voll. Entweder hatte Stotz recht, oder der Aufruf, durch die Uni zu gehen und die Studierenden zu informieren, hat gewirkt. Der Gegengipfel macht dem "Gegen" alle Ehre: Niemand erinnert an eine Redezeitbegrenzung, am Podiumstisch hängt ein buntes Transparente statt der weißen Tischdecke und kein liberaler Studentenvertreter lobt den Bachelor.

"Die Konferenz war mehr schönes Gerede als die Einleitung von konkreten Schritten", kritisiert Andreas. Seine Kommilitonin Clara ergänzt: "Die Forderungen der Studierenden wurden schon im Vorfeld überhaupt nicht ernst genommen." So wäre nicht annähernd die Hälfte der zum Gipfel Geladenen Studenten gewesen, stattdessen waren Wirtschaftsvertreter anwesend. Und es sei "unerträglich", dass beispielsweise ein Telekom-Vertreter bei der Gelegenheit ausführen dürfe, wie er sich den optimalen Studiengang vorstelle.

Das Publikum hört den Ausführungen geduldig zu. Doch wie geht es weiter, im Juni, wenn die nächste Protestwelle über Berlin rollen soll? Selbstkritik ist auf dem Podium nicht zu hören - bis der ehemalige FU-Professor Peter Grottian den Finger genau in die Wunde legt. "Die Bildungsstreikbewegung ist in erheblichen Schwierigkeiten", ruft er ins Publikum. Das Thema sei nicht mehr auf der politischen Agenda, es brauche Aktionen, um es wieder in die Öffentlichkeit zu bringen: Tomaten und Eier auf Bildungspolitiker, die sich für Streichungen im Bildungssektor stark machten, zum Beispiel.

Als der tosende Applaus abflaut, meldet sich Oskar zu Wort. Vielleicht könnten ja ein paar der Anwesenden zum nächsten Protest-Vorbereitungstreffen kommen. Leute, die Tomaten und Eier schmeißen würden, gebe es schließlich nie genug.

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