Anti-Militarismus: Pazifisten an der Front

Bei der Friedensgesellschaft wird scharf geschossen: Landesverband und Bundesvorstand streiten sich um den juristischen Umgang mit einem satirischen Flugblatt.

Deutsche Soldaten in Kundus am Ostersonntag. Bild: APN Photo

Der Landesverband der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) wirft seinem Bundesvorstand Denunziation vor. Der Bundesvorsitzende der ältesten friedenspolitischen Organisation Deutschlands, Jürgen Grässlin, hat die Namen von drei Berliner DFG-VK Mitgliedern sowie ein internes Schreiben an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, nachdem diese die Herausgabe der Daten verlangt hatte. "Die Übermittlung der Namen geschah in vollem Wissen, dass den Betroffenen nun mit hoher Wahrscheinlichkeit Hausdurchsuchungen bevorstehen und ein Ermittlungsverfahren wegen ihrer politischen Aktivitäten droht", so der Landesverband Berlin-Brandenburg in einer Stellungnahme.

Der Grund sind Ermittlungen wegen eines satirisch gemeinten Aufrufs der DFG-VK-Berlin-Brandenburg, der unter dem doppeldeutigen Motto "Feste feiern, wenn sie fallen" zum Schampus-Saufen aufruft, wenn ein Bundeswehrsoldat beim Afghanistan-Einsatz ums Leben kommt (siehe Interview unten). Die im April beendete Aktion hatte bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt und juristische Ermittlungen nach sich gezogen. Mehrere von Bundeswehrverbänden angestrengte Klagen wegen Beleidigung waren zwar bereits im vergangen Jahr eingestellt worden. Doch das Berliner Landeskriminalamt ermittelt weiter.

Im April waren in Berlin drei Buchläden, die Büroräume eines Internetproviders und Privatwohnungen auf der Suche nach den Verantwortlichen der Aufrufe durchsucht worden. Weil die Ermittlungsbehörden keinen Hinweis auf die Urheber der satirischen Aufrufe gefunden haben, wandten sie sich an den DFG-VK-Bundesvorsitzenden - mit Erfolg.

"Als BSK waren wir uns einig, dass wir den Ermittlungsbehörden keinen Vorwand für eine Hausdurchsuchung in der Bundesgeschäftsstelle mit der Beschlagnahme aller Computer und weiterer Unterlagen geben dürfen", begründete der Bundessprecher Jürgen Grässlin gegenüber der taz die Datenweitergabe. "Die Personendaten unserer mehr als 4.000 Mitglieder sowie die weiteren Unterlagen, wie Brief- und Mailwechsel, Protokolle all unserer Aktivitäten gehen die Staatsanwaltschaft absolut nichts an." Zudem verstehe sich die DFG-VK nicht als Untergrundorganisation, die mit subversiven Mitteln gegen die Staatsmacht angeht. "Wir bekennen uns bei all unseren Aktionen mit unserem Namen zu unseren Taten", so Grässlin.

Hinter dem Streit stehen politische Gegensätze. Während sich viele DFG-VK-Mitglieder in der Friedensbewegung der 80er Jahre politisierten und heute vor allem bei der Organisierung von Ostermärschen gegen Atomraketen und als Kritische AktionärInnen von Rüstungsbetrieben engagieren, sorgten im Landesverband Berlin-Brandenburg jüngere AntimilitaristInnen mit provokativen Aktionen auch verbandsintern öfter für Unmut. So wurde das Plakat "Schritt zur Abrüstung" mit dem Sarg eines getöteten Soldaten auch von DFG-VK-Mitgliedern als menschenverachtend kritisiert.

Die Weiterleitung der Namen hat die Krise zugespitzt. Der Landesverband Berlin-Brandenburg will vorerst keine Informationen über geplante Aktivitäten mehr an die Bundesebene weiterleiten. Man plane aber keinen Austritt aus dem Verband, sagte ein Landesverbandsmitglied der taz.

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