FDP-Politiker Tören über Özkan: "Der Staat soll neutral sein"

Serkan Tören (FDP) stimmt Aygül Özkan zu, denn sie gebe ja nur die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts wieder. Und die mache klar, dass Kruzifixe im Staatsdienst nicht zu suchen haben.

"Die FDP ist am Prinzip der Freiheit ausgerichtet." Bild: dpa

taz: Herr Tören, die designierte niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan findet, dass Kruzifixe in Klassenzimmern nichts verloren haben. Hat sie recht?

Serkan Tören: Frau Özkan hat im Grunde nur die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiedergegeben. Das hatte ja im Zusammenhang mit dem bayerischen Schulgesetz entschieden, dass der Staat neutral zu bleibe habe und in öffentlichen Einrichtungen wie Klassenräumen religiöse Symbole nichts zu suchen haben.

Wieso herrscht dann in der CDU so eine Aufregung?

In der CDU/CSU wird zu Recht der christlich-abendländische Ursprung des Grundgesetzes betont und Kruzifixe sind in der Tat Teil einer jahrhundertealten christlichen Tradition in Deutschland. Aber wenn etwa der Parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, sagt, wer das "C" nicht akzeptiere, habe in der Partei nichts zu suchen, ist dies eine "Quengler-raus"-Argumentation, die ich für unpassend halte.

Ist der Ärger in der CDU/CSU ein Indiz dafür, wie schwer sich die Union noch immer mit dem Thema Integration tut und alle Bekenntnisse zum Einwanderungsland Deutschland nur vorgeschoben sind?

So würde ich das nicht formulieren. Die Union hat in den letzten Jahren eine Entwicklung durchgemacht und erkannt, dass wir einen demographischen Wandel erleben und in einigen Jahren in allen Berufen und allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Migranten haben werden. Diese Fortschritte muss man sehen. Aber es gibt sicherlich bei einigen Unionspolitikern Bedenken. Denn gesellschaftliche Veränderungen machen Angst. Aber diese gesellschaftlichen Veränderungen sind nun einmal Realität, vor der sich niemand verschließen kann.

Wie ist die Haltung der FDP zum Kruzifix und dem Kopftuch?

Für uns gilt die staatliche Neutralität. Wir sagen: Eine Lehrerin im Staatsdienst darf kein Kopftuch tragen. Und das gleiche gilt für Kruzifixe. Aber es gibt auch das korporatistisches System. Insofern ist beispielsweise die Regelung in Bayern, Kruzifixe zu erlauben, so lange es keinen Widerspruch gibt, eine tragbare Lösung.

Kritik hat Aygül Özkan auch mit ihrem Hinweis bekommen, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei "ergebnisoffen" zu führen.

Es wird langsam müßig, einige Unionspolitiker immer wieder an den Koalitionsvertrag erinnern zu müssen. Da steht eindeutig: Die Verhandlungen mit der Türkei bezüglich einer Mitgliedschaft werden ergebnisoffen geführt. Frau Özkan hat nichts gesagt, was nicht im Koalitionsvertrag vereinbart würde.

Zeigen die Reaktionen auf Frau Özkan, dass die bürgerlichen Parteien noch immer nicht reif für Einwanderer sind, speziell für Einwanderer aus muslimischen Ländern?

Nein. Gerade auf Landesebene gibt es mehr und mehr Politiker mit Migrationshintergrund, auch in der Union. Und die FDP hat, angefangen mit Minister Philipp Rösler, viele Menschen mit Migrationshintergrund nachzuweisen. Das zeigt: Wir Bürgerlichen sind offen, wir haben sogar Minister. Dazu war die SPD und waren die Grünen nie bereit gewesen, obwohl sie die Gelegenheit hatten, Cem Özdemir zum Ausländerbeauftragten zu machen. Stattdessen wurde es Marieluise Beck, auch weil es Ressentiments gegen einen Menschen mit Migrationshintergrund gab. Das zeigt: Ressentiments gibt es, aber sie gibt es in allen Parteien.

Warum sollten Einwanderer eigentlich FDP wählen?

Weil wir an dem Prinzip der Freiheit ausgerichtet sind. Und Freiheit ist eines der Prinzipien, das gerade den Migranten nahe steht - das Prinzip, sich, natürlich immer unter Einhaltung der Verfassung, frei, individuell entfalten zu können, sei es im Berufsleben oder in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Und weil wir als Liberale seit jeher Migration und Migranten als Chance und Mehrwert für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft verstehen und nicht als Bedrohung.

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