Autobahn 100: Junge-Reyers Crashtest

Verkehrssenatorin und Autobahngegner in den Regierungsfraktionen steuern frontal aufeinander zu. Ein Ausbau, wie ihn Junge-Reyer fordert, ist nicht durchsetzbar. Was tun?

Autobahnstau: Bald auch in Treptow? Bild: Uwe Lein/ap

Ohne Gesichtsverlust kommt niemand mehr aus dieser Sache raus: Die SPD-Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer hält an der Verlängerung der Autobahn 100 fest. Dies sei "verkehrs-, umwelt- und stadtentwicklungspolitisch richtig", sagte ihr Sprecher am Montag. Dabei hatte am Samstag der Koalitionspartner Linkspartei das Projekt abgelehnt - wie 2009 schon die SPD.

Die Autobahn birgt nach Ansicht von Koalitionsabgeordneten besonderes Konfliktpotenzial, weil die Situation festgefahren ist. In beiden Regierungsfraktionen gibt es überzeugte Autobahngegner, die den Widerstand gegen den Ausbau (siehe Karte rechts) beharrlich verfolgen und bereits viel erreicht haben. Die Stimmung ist derzeit so, dass nicht vorstellbar ist, dass SPD und Linke die Haushaltssperre der Planungsmittel für die Autobahn wieder aufheben - damit ist der Ausbau gescheitert.

Einige Autobahngegner in den Regierungsfraktionen fordern, dass der Senat deshalb das Projekt jetzt möglichst geräuschlos beerdigen müsste - doch darauf deutet nichts hin. Im Gegenteil: Junge-Reyer wirft ihr gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale. Das könnte ihr zum Verhängnis werden.

Die Verkehrssenatorin nutzt jede Gelegenheit, um deutlich zu machen, wie sehr sie das Projekt unterstützt. Und daran hält sie fest: "Bisher wurden keine Argumente geliefert, von dieser Position abzuweichen", so ihr Sprecher. Das zeugt nicht nur von Unflexibilität - sondern unterstellt auch den Kritikern Ahnungslosigkeit.

Eine beliebte Variante, um einen Konflikt zu lösen, ist die Vertagung. Die Koalition könnte einfach vor der nächsten Wahl im Jahr 2011 nicht mehr über das umstrittene Projekt entscheiden. Wer danach regiert, ist offen. Und selbst wenn die Wähler die Amtszeit von Klaus Wowereit ein weiteres Mal verlängern: Junge-Reyer ist heute 63 Jahre alt und wäre im nächsten Senat wohl nicht mehr mit dabei.

Dagegen spricht, dass die SPD sich vor der Wahl zu dieser Frage positionieren muss. Die Autobahn 100 ist eines der Großprojekte dieser Stadt. In der SPD-Fraktion heißt es, die Partei könne nicht in den Wahlkampf ziehen, ohne den Wählern zu sagen, wie sie zur Autobahn steht.

Die Autobahn soll daher in ein größeres Paket eingebracht werden. "Wir dürfen uns nicht nur über diesen Autobahnabschnitt unterhalten, sondern über ein intelligentes Verkehrskonzept für die ganze Stadt", sagt der SPD-Umweltpolitiker Daniel Buchholz, der zu den Autobahngegnern gehört. Daher soll der Stadtentwicklungsplan Verkehr überarbeitet werden. Buchholz Ziele: "Wir müssen die Innenstadt vom Individualverkehr entlasten und den öffentlichen Personennahverkehr stärken." So könnte zum Beispiel auch die Zahl der Parkplätze in der Innenstadt begrenzt werden - das würde den Anreiz von Pendlern stärken, auf Busse und Bahnen umzusteigen.

Und die Autobahn? Buchholz formuliert vorsichtig: "Bei dem Gesamtkonzept kann herauskommen, dass die Verlängerung der A 100 komplett entbehrlich ist." Festlegen will er sich noch nicht. Die Idee hat aber Charme: Bei ein paar Punkten könnte sich Junge-Reyer durchsetzen, bei ein paar anderen ihre Kritiker. Es wäre ein Weg, die Verlängerung der Autobahn zu verhindern, ohne die eigene Senatorin in der Öffentlichkeit komplett zu demontieren. Es ist quasi die letzte Ausfahrt vor dem Crash.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.