Lobbyismus: Wulff holt sich Putenministerin

Die künftige niedersächsische Agrarministerin Astrid Grotelüschen kommt aus der Mastputen-Branche. Für ihre Politik lässt das nichts Gutes erwarten.

Mit Puten kennt die neue Landwirtschaftsministerin sich aus. Bild: dpa

Viel Lob hat Christian Wulff für seine Kabinettsumbildung bekommen - eine Migrantin als Sozialministerin, wie mutig und weitsichtig! Eine Ostdeutsche fürs Bildungsressort - "bravo, Herr Wulff!", schrieb der Spiegel, das sei ein Schritt zur inneren Einheit.

Wulffs neue Frau für das Agrarressort hingegen sorgte gestern für harsche Kritik. Mit der bisherigen Bundestagsabgeordneten Astrid Grotelüschen ziehe die Lobby direkt ins Ministerium, zürnte der agrarpolitische Sprecher der Grünen im niedersächsischen Landtag, Christian Meyer. Und das war noch die sachteste Äußerung über die Frau, die vor zwanzig Jahren der Liebe wegen ins Südoldenburgische kam.

Dort, wo sich Putenstall an Hühnerstall an Schweinestall an Hühnerstall reiht, verlor die gebürtige Kölnerin ihr Herz an Garlich Grotelüschen, den Sohn des Gründers von Deutschlands zweitgrößter Mastputenbrüterei, der Mastputen-Brüterei Ahlhorn. Nach eigenen Angaben schlüpfen dort alljährlich fünf Millionen putzige Küken. Schränke reihen sich in Grotelüschens Betrieb aneinander, drinnen wird gebrütet, anschließend werden die Tierchen über Laufbänder eingesammelt, lebend verpackt und zu den Mastbetrieben in der Umgebung und im Ausland gefahren. Zumeist sind das Vertragslandwirte, die über Puten-Erzeugergemeinschaften mit den Grotelüschens verbandelt sind.

Zerlegt und geschlachtet werden die gemästeten Tiere in den Schlachtereien "Geestland Putenspezialitäten" in Wildeshausen und "Fitkost Geflügelverarbeitungs- und vertriebsgesellschaft" in Mecklenburg-Vorpommern - auch hier hält Familie Grotelüschen Beteiligungen. Vermarkten lässt sie ihre Fleischprodukte unter dem Dach der Marke Wiesenhof - also jenes Unternehmens, das jüngst wegen Tierquälerei von Masthühnern über die Tiefkühltruhen in Supermärkten hinaus bekannt geworden war.

Grotelüschen selbst war gestern nicht für einen Ausblick auf ihre Ministerinnentätigkeit zu sprechen. Ihre Kritiker hingegen schon: Edmund Haferbeck zum Beispiel, der die Tierrechtsorganisation PETA wissenschaftlich berät. Gerade bereitet er eine erneute Klage gegen Wiesenhof vor, weil es weitere Hinweise auf Tierquälereien gebe. Und Grotelüschen, sagt er, sei mit der Puten-Brüterei und allen sonstigen Verquickungen ins Geflügelgeschäft inklusive der Vermarktung über Wiesenhof an der "tierquälerischsten Produktionsform überhaupt" beteiligt.

Putenzucht sei Qualzucht, also die Inkaufnahme schwerer Qualen für die Tiere im Verlaufe ihres kurzen Lebens. "Wir nennen solche Leute Systemtierquäler", sagt Haferbeck, "also auch die neue Ministerin." Grotelüschen werde die tierquälerische Massentierhaltung in Niedersachsen ganz sicher mit noch größerer Verve verfolgen als es der jetzigen Minister Hans-Heinrich Ehlen getan habe. "Das ist eine Kriegserklärung", sagte Haferbeck. Die neue Ministerin werde "Wietze mit allen Mitteln durchdrücken", jenen Großschlachtbetrieb, den der Geflügelkonzern Rothkötter in der Nähe von Celle plant.

Grotelüschen kommt tatsächlich in einer für die niedersächsische Geflügelwirtschaft entscheidenden Zeit zurück nach Niedersachsen: Weil die Branche trotz einer Sättigung des inländischen Marktes nach Expansion strebt, das westniedersächsische Stammland der Brütereien und Mastbetriebe aber kaum noch Kapazitäten hat, steht die Erschließung des Ostens an - gefordert von der Agrarlobby, befördert mit Subventionen von der Landesregierung, wie die Grünen-Vorsitzende Stefanie Henneke beobachtet hat. In Grotelüschens Nominierung sieht sie die "Kapitulation Wulffs vor der Agrarlobby und eine Katastrophe für die bäuerliche Landwirtschaft".

Lob für Grotelüschen kam gestern vor allem von ihren CDU-Mitstreitern, die zugleich verrieten, wie sehr sie auf die Expertise der neuen Ministerin aus der Welt der Fleischproduktion setzen. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Oldenburger Kreistag, dem Grotelüschen seit 2006 angehört, Hans Hubmann, etwa sieht in Grotelüschens Berufung "tolle Chancen". Das Oldenburger Land sei "der ländliche Raum schlechthin, die größte Lebensmittelproduktionsstätte Deutschlands". Der CDU-Kreisvorsitzende Ansgar Focke sieht es ähnlich, zumal Niedersachsen das "Agrarland Nummer eins" bleiben wolle.

Mit Grotelüschen sollte dem nichts im Wege stehen: "Mit ihr kann die Agrarlobby noch ungenierter arbeiten", sagt Eckard Wendt von der Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung.

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