Karriere: Der Abstieg eines Law and Order-Mannes

Der frühere Justizsenator Roger Kusch (Ex-CDU) hat sich mit extremen Positionen ins gesellschaftliche Abseits manövriert. Schließlich ist im Knast gelandet, weil er die Sterbehilfe nicht lassen kann. Jetzt versucht er, den Makel der Inhaftierung abzuwaschen.

Roger Kusch bei der Vorstellung seines Selbsttötungs-Automaten. Bild: dpa

Es muss ein echter Nackenschlag gewesen sein für Roger Kusch, als die Tür der Arrestzelle des Polizeikommissariats Troplowitzstraße ins Schloss fiel: hinter ihm, einem ehemaligen Staatsanwalt und Ministerialdirektor, im Kanzleramt für "Innere Sicherheit" zuständig; einem hamburgischen Justizsenator, der sich seine Anregungen aus einem Wüstengefängnis in Arizona holte, in dem die Häftlinge zur Demütigung rosa Unterwäsche tragen müssen.

Klar, dass Kusch die Dreiviertelstunde Knast nicht auf sich sitzen lassen will: Er hat Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) und Polizeipräsident Werner Jantosch wegen Freiheitsberaubung angezeigt. Seine Inhaftierung sei "absurd und rechtswidrig" gewesen, sagte er dem Hamburger Abendblatt. Die Innenbehörde wollte das mit dem üblichen Hinweis auf ein "laufendes Verfahren" nicht kommentieren. Kusch hat in den vergangenen Jahren im wesentlichen mit seinem Feldzug für die Sterbehilfe Schlagzeilen gemacht.

Nach Darstellung seines Anwalts hatte Kusch am Abend des 21. März bei einer 89-Jährigen in Alsterdorf geklingelt, um mit ihr ein "Beratungsgespräch" zu führen. Sein Mandant habe der Frau keine Sterbehilfe leisten wollen, beteuerte der Anwalt. Als die Frau nicht öffnete, fuhr Kusch weg und wurde von einer Streife gestoppt. Auf der Wache maßen die Polizisten 0,56 Promille Alkohol im Blut. Die Folge: ein Monat Fahrverbot und 500 Euro Strafe.

In der Zelle landete der Ex-Justizsenator, weil die Beamten vermuteten, dass es bei dem Gespräch doch um Sterbehilfe gehen sollte. Damit hätte er gegen eine polizeiliche Anordnung aus dem Jahr 2008 verstoßen. Weil die Polizisten keine Medikamente fanden, die den Verdacht erhärtet hätten, mussten sie Kusch wieder ziehen lassen.

Spätestens damit zeigt sich, dass Kuschs Kampagne für die Sterbehilfe selbstzerstörerische Züge angenommen hat. Sein Ziel, das Thema in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen, hat er längst erreicht. Und noch vor einem Jahr schien es, als würde er es damit bewenden lassen: Dem Spiegel sagte Kusch, er biete keine Suizidbegleitung mehr an. Im Januar gründete er einen neuen Sterbehilfeverein.

Dass er ein tabuisiertes Thema populär machte, wäre Kusch wohl verziehen worden. Die Art, wie er es tat, kann indes nur als PR-Desaster bezeichnet werden. Offenbar ein Überzeugungstäter, beschrieb er seine erste Sterbehilfe ausführlich bei einer Pressekonferenz im Sommer 2008. Im Herbst davor hatte "Dr. Tod", wie er fortan von einigen Medien genannt wurde, bereits eine komplizierte Maschine vorgestellt, die die Selbsttötung per Knopfdruck ermöglichen soll.

Dass das Publikum anfing, sich zu gruseln, lag daran, dass Kusch bei der Sterbehilfe ebenso unverblümt und kompromisslos vorging wie bei anderen politischen Themen: Ob bei der Abschaffung der Spritzenautomaten in den Gefängnissen, dem Vorschlag, die Jugendgerichtsbarkeit abzuschaffen oder dem skandalös gescheiterten geschlossenen Heim für Jugendliche - Kusch brach mit dem Hergebrachten, ganz gleich, ob die CDU ihm folgte oder nicht.

Sein Amt gekostet haben ihn unter anderem zwei Untersuchungsausschüsse: einer zu Personalentscheidungen, die ihn in den Ruch der Begünstigung brachten, ein anderer zu den Vorgängen rund um den Jugendknast in der Feuerbergstraße 2006. Kusch verweigerte die Aussage. Wenig später wurde er von seinem alten Freund, dem ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU), entlassen. Der Untersuchungsausschuss hatte angedroht, den Justizsenator in Beugehaft zu nehmen.

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