Grün für Rot-Rot: Der Seitenwechsler

In Bremen war Jan Köhler (Grüne) der schärfste Kritiker des dortigen Finanzsenators Ulrich Nußbaum. In Berlin ist Jan Köhler der Büroleiter von Nußbaum.

Immer für eine Überraschung gut: Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (patrteilos) Bild: dpa

Für den Haushaltsexperten der Grünen war die Sache klar: Was der Finanzsenator da von sich gebe, sei "entweder ein dreister Täuschungsversuch oder rührend naiv". Der Grüne, der das 2004 so sah, hieß Jan Köhler, der Senator Ulrich Nußbaum. Ging es im Bremer Landtag um Geld, traten die beiden gegeneinander an: der SPD-nahe Nußbaum auf der Senatsbank, der Grüne Köhler auf den Oppositionsbänken. Nußbaum sitzt immer noch auf einer Senatsbank, aber nun in Berlin. Auch Köhler ist inzwischen im hiesigen Parlament zu sehen. Er sitzt bloß nicht bei den Grünen. Köhler hat die Seiten gewechselt: Er ist jetzt Nußbaums Büroleiter.

Es ist ein später Samstagvormittag. Die Berliner Grünen sitzen in einem Kreuzberger Tagungsort zum Parteitag zusammen. Ein schlanker Mann Mitte 30 mit hoher Stirn steht in Jeans und leicht schlabbrigem Pulli hinter den Delegierten und hört sich erstmals an, was die hiesigen Parteigrößen bei einer solchen Gelegenheit zu sagen haben. Jan Köhler (34) ist sonst in Anzug und Krawatte zu sehen. Aber dann ist er im Dienst und Mitarbeiter des Finanzsenators. Im Kreuzberger Tagungsort ist er Grüner - wie seit über 15 Jahren.

Am Rednerpult ist viel von Fehlern von Rot-Rot zu hören, von Versäumnissen der Regierung, von Mankos in der Landespolitik. Es ist genau diese viel kritisierte Regierung, für die Köhler arbeitet. Er sieht darin keinen Grund für innere Zerrissenheit. "Was ich für den Senator mache, widerspricht ja nicht meinen Überzeugungen als Grüner", sagt er. Das hat für ihn viel mit seinem Arbeitsfeld zu tun. Finanzpolitik sei eine eher nüchterne Angelegenheit, in der es vor allem auf Zahlen ankomme.

Nüchtern wirkt auch Köhler selbst, der in Bremen Jura studierte und dort 2007 in die Finanzverwaltung einstieg. Er hat jene ausgeglichene Art, von der es immer heißt, sie sei typisch norddeutsch. Unter dem schrägen Dach der Finanzverwaltung in der Klosterstraße sitzt man einem ein Mann gegenüber, der auf ausladende Handbewegungen genauso verzichtet wie auf bedeutungsvolles In-Falten-Legen der hohen Stirn. Was nicht heißt, dass da ein dröger Erbsenzähler säße: Köhler kann durchaus witzig sein und lächelt oft.

Sein SPD-naher, aber parteiloser Chef hatte kein Problem damit, sich einen Grünen auf den absoluten Vertrauensposten des Büroleiters zu holen. "Er hat in Bremen sehr gute Oppositionsarbeit gemacht", sagt Ulrich Nußbaum. "Als ich nach Berlin ging, habe ich gedacht: Den nimmst du mit - das ist der beste Kopf, der dir zur Verfügung steht." In der Berliner SPD habe niemand die ungewöhnliche Personalentscheidung kritisiert. "Das hat sich keiner getraut - und das hätte ich mir auch verbeten", sagt Nußbaum. Er wolle schließlich eine Finanzpolitik vertreten, "die nicht primär parteipolitisch gefärbt ist."

Nußbaum sieht ein ähnliches Denken beim Bundesfinanzminister. Der CDU-Mann Wolfgang Schäuble hätte durchaus alle beamteten Staatssekretäre seines SPD-Vorgängers Peer Steinbrück in die Wüste schicken können. Stattdessen beließ er die SPDler Jörg Asmussen und Werner Gatzer im Amt - in den zentralen und äußerst sensiblen Feldern Bankenaufsicht und Haushalt.

Für Köhler hingegen ist es durchaus bedeutsam, dass sein Chef parteilos ist. "Ich glaube, es wäre schwierig gewesen, wenn Nußbaum Parteimitglied wäre", sagt Köhler. Er selbst kam schon als Schüler zu den Grünen. Das Menschenbild der Partei habe sie für ihn attraktiv gemacht, sagt er. Dieses Menschenbild heißt für ihn: anders als SPD oder CDU den Einzelnen, das Individuum zu betrachten. Bei den führenden Bremer Grünen ist niemand zu finden, der es Köhler übel nimmt, seinem früheren Gegenspieler jetzt als Bürloleiter zu dienen. Im Gegenteil: Man verspricht sich davon eher einen guten Draht nach Berlin.

In der hiesigen Finanzverwaltung heißt Büroleitung weniger, die Termine des Senators zu verwalten oder Räume zu organisieren. Köhlers Job ist anders angelegt. Für Nußbaum ist er Resonanzboden, "wenn ich morgens mit irgendeiner neuen Idee reinkomme". Es klingt mehr nach Diskussion am WG-Küchentisch, wenn Nußbaum sagt, dass er Widerspruch wünsche und einfordere. Ehrlicherweise schiebt der Senator noch hinterher: "Am Ende sticht dann natürlich Ober den Unter."

In Bremen war Köhler als Haushaltsexperte auf Augenhöhe mit seiner Fraktionschefin, die heute dort Finanzsenatorin ist. Hätte er da nicht bei der grünen Regierungsbeteiligung 2007 Staatssekretär werden können? Köhler schüttelt den Kopf: "Das war für mich mit Anfang 30 keine vernünftige Option." In der Berliner Finanzverwaltung gäbe es hingegen durchaus ein Beispiel: Der CDU-Politiker Peter Kurth wurde Mitte der 90er mit 34 Jahren Staatssekretär, fünf Jahre später sogar Finanzsenator. "Und was macht Peter Kurth jetzt?", fragt Köhler mehr rhethorisch - Kurth scheiterte im Sommer als Kandidat bei der Kölner Oberbürgermeisterwahl.

Das muss nicht heißen, dass daraus nicht später doch noch was wird: Denn was war der oben erwähnte Staatssekretär Asmussen im Bundesfinanzministerium früher? Büroleiter.

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