Viktorianische Subkultur Steampunk: Computer mit Dampfbetrieb

Sie kombinieren eine imaginäre viktorianische Zukunft mit Hightech: In London trafen sich Vertreter der sogenannten Steampunk-Bewegung jetzt zu einer großen Party.

Hohes Bastelgeschick: Liebevoll umgearbeiteter Computer. Bild: Floor – Lizenz: CC-BY-SA

Für Außenstehende wirken Vertreter der Steampunk-Bewegung auf den ersten Blick etwas merkwürdig: Sie tragen oft Kleidung im viktorianischen Stil des vorvergangenen Jahrhunderts, haben aber dennoch eine Vorliebe für eine ganz spezielle Form von Hightech. Die Grundidee dieser retro-futuristischen Szene: Was wäre, wenn sich aus der damaligen Dampftechnik ähnliche Produkte entwickelt hätten, wie wir sie heute in elektronischer, digitaler Form kennen?

Entsprechend erfinderisch sind die oft mit hohem Bastelgeschick ausgestatteten Steampunks auch: Sie nehmen Gegenstände der heutigen Zeit, motzen sie mit wunderschönen Holz-, Blech-, Kupfer- oder sogar Marmorteilen auf oder bauen sich gleich ganz neue Geräte, die sie dann im Internet oder unter Freunden ausstellen.

In Großbritannien konnte man in den vergangenen Tagen erleben, wie Meister des Steampunk-Fachs an ihr Handwerk gehen: Im Club "La Scala" feierte die Szene die "Great Exhibition of 2010" - und damit die große Londoner Weltausstellung des Jahres 1851 nach, in der unter anderem der berühmte Kristallpalast stand. Menschen in den vielfältigsten Kostümen, Dampf-Handwerker oder Retro-Science-Fiction-Autoren gaben sich ein Stelldichein.

Der Wissenschaftler Edward Saperia versuchte gegenüber der britischen "BBC" zu erklären, worum des bei Steampunk geht: "Es geht um die Erkenntnis, dass Technologie unsere Probleme lösen kann, eine gute Sache ist und wir über sie lernen und sie benutzen sollten." Das viktorianische Element sei der Bewegung vor allem deshalb wichtig, weil es den letzten großen industriellen Wandel darstelle - ähnlich wie heute das Netz die Gesellschaft verändere. Heute wisse schlicht niemand mehr, wie die Dinge in fünf Jahren aussähen. "Denken Sie mal darüber nach, wie es vor 10 oder 20 Jahren war. Alles hat sich verändert." Da ist Steampunk offenbar durchaus beruhigend.

Wer will, kann sich inzwischen seine ganze Wohnung mit der Retro-Technik ausstatten - entsprechende handwerkliche Mühe vorausgesetzt. Auf der "Great Exhibition of 2010" konnte man fein verzierte USB-Speichersticks sehen, die der Macher "Informationskabinette" nannte, ein Klavier mit Dampfbetrieb oder eine so genante "Ultraschallkanone", mit der man Vögel vertreiben kann. Der Steampunk-Erfinder mit dem Namen "Herr Doktor" schuf unter anderem einen "Electro-Ikonographen", der nichts anderes als eine fein verzierte digitale Kompaktkamera ist. Sein "Martian Cylinder" wiederum stellt eine Art Steampunk-Bonsai komplett mit Rohrleitungsfiltersystem und mechanischen Kontrollanzeigen dar - sinnfrei, aber sehr schön anzusehen.

Die Steampunk-Bewegung ist inzwischen sogar für Museen interessant: Im Oxforder "Museum of the History of Sciences" (MHS) lief bis Ende Februar eine erste große Ausstellung mit den Werken von 18 Szenekünstlern aus den USA, Großbritannien, den Niederlanden, Australien und Japan, die zahlreiche Kunstgegenstände versammelte - vom tatsächlich zu gebrauchenden Produkt bis hin zu Rauminstallationen nur zum Anschauen. Über 76.000 Besucher kamen laut Angaben des MHS an die University of Oxford, bevor die Ausstellung schloss. Eine virtuelle Tour lässt sich hier unternehmen.

Wer Steampunk nur ein bisschen ausprobieren will, ohne selbst zu Laubsäge und Bohrer greifen zu müssen, kann das inzwischen mit fertigen PC-Ergänzungsartikeln tun. Spezielle Shops wie Old Time Computer bieten unter anderem Holz- und Blechteile für Bildschirme oder im viktorianischen Stil aufgemachte Tastaturen und Mäuse an. Billig ist der Spaß allerdings nicht: Für ein klackerndes Keyboard werden derzeit beispielsweise mindestens 300 Dollar fällig, für den Umbau eines iMac zu Marmor- und Holzmaschine immerhin 235. Das Geschäft läuft offensichtlich gut - Shopbetreiber "Woodguy32" baut die Gerätschaften inzwischen in Kleinserie.

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