Berliner Justiz beharrt auf Vorratsdaten: Der Staatsanwalt liebt's illegal

Staatsanwaltschaft will Ergebnisse der Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung nutzen. Doch die ist verfassungswidrig. Justizsenatorin von der Aue hat keine Einwände.

Ob hier alles mit rechten Dingen zugeht? Kabelsalat auf der Messe Cebit. Bild: APN

Die Berliner Staatsanwaltschaft will bei ihren Ermittlungen auch auf Daten zurückgreifen, die verfassungswidrig erhoben wurden. Dabei geht es um die Vorratsdatenspeicherung: Seit Januar 2008 wurde bei allen Bürgern registriert, wann sie welche Nummern angerufen hatten und wie lange das Gespräch dauerte. Anfang März hatte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz für nichtig erklärt. Doch die Staatsanwaltschaft will die Daten weiter nutzen.

In einer "Leitlinie zur Sachbehandlung von Ermittlungs- und Strafverfahren" des Generalstaatsanwalts Ralf Rother heißt es: Ob die Daten benutzt werden, sei "unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zu entscheiden". Zu berücksichtigen sei dabei die "Gewichtung des staatlichen Interesses an der Tataufklärung".

Möglich wird die Verwendung der Daten durch eine Lücke im Urteil des Verfassungsgerichtes. Das hatte zwar entschieden, die Speicherung von Verbindungsdaten sei ein Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis. Die Vorschrift sei "für nichtig zu erklären". Die bereits bei der Telekom und bei anderen Unternehmen gespeicherten Daten seien auch "unverzüglich zu löschen". Das Gericht regelte sogar den Fall, dass trotzdem noch ein Staatsanwalt von den Firmen die Daten haben will: In dem Fall dürfen die Daten "nicht an die ersuchenden Stellen übermittelt werden". Doch in dem Urteil steht nichts über Daten, die bereits vorher an die Behörden übermittelt wurden. Also könnten diese Daten auch weiterverwendet werden, meint die Staatsanwaltschaft. Sie beruft sich dabei auf frühere Entscheidungen des Verfassungsgerichts zur Verwendung rechtswidrig erhobener Beweise.

Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) hat keine Einwände gegen das Vorgehen: "Das ist keine Frage, die die Justizverwerwaltung vorgibt", sagt ihr Sprecher Bernhard Schodrowski. Außerdem entscheide ja ein Gericht darüber, ob die Daten in einem Urteil letztendlich berücksichtigt werden: "Das muss in jedem Einzelfall von einem Richter abgewogen werden."

Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, sieht es anders: "Die Staatsanwaltschaft wäre gut beraten, auf die Verwendung der Daten zu verzichten." Man hätte diese "nie erheben dürfen, weil damit die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt wurde". Dem Gesetz "stand von Anfang an die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben".

Auch Sebastian Kluckert, rechtspolitischer Sprecher der Berliner FDP-Fraktion, wünscht sich, dass der Staat illegal erlangte Beweise nicht gegen einen Verdächtigen einsetzen darf. "Wenn die Polizei oder eine andere Behörde weiß, dass es oft egal ist, ob Beweise rechtmäßig oder rechtswidrig erhoben werden, weil man sie ja ohnehin verwenden kann - dann setzt das falsche Anreize."

Etwa bei Durchsuchungen: Eigentlich braucht es dafür die Entscheidung eines Richters. Nur bei "Gefahr im Verzug" darf die Polizei auch eigenmächtig durchsuchen. Wenn ein Gericht aber hinterher feststellt, dass in Wirklichkeit keine Eile geboten war, dann dürfen die Funde meist trotzdem verwendet werden. Für Kluckert sind die USA ein Vorbild, die das viel strikter handhaben und "wo die Strafverfolgung ja auch funktioniert". Wenn es hingegen keinerlei Folgen habe, dass Polizisten und Staatsanwälte gesetzliche Vorgaben ignorieren, "dann bleibt der Rechtsstaat auf der Strecke".

Und was meint Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD)? Seine Sprecherin verweist auf ein Interview kurz nach dem Urteil. Da hatte Körting gesagt: "Unsere Strafverfolgung würde ohne dieses zusätzliche Instrument nicht zusammenbrechen."

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