Hertha-Sieg in Wolfsburg: "Hey, was geht ab?"

Existenzängste vs. Luxusprobleme: Tabellenschlusslicht Hertha BSC trotzt mit dem 5:1-Sieg der misslichen Lage in Verein und Liga. Wolfsburg braucht Klarheit in der Trainerfrage.

Es war sein Spiel: Goalgetter Gekas (li.). Bild: dpa

WOLFSBURG taz | Arne Friedrich war sich ganz sicher. Einen großen Sieg zu erringen und den eigenen Fans trotzdem die kalte Schulter zu zeigen, das sei richtig gewesen. "Wir sind von denen nicht gut behandelt worden", sagte der Kapitän einer Mannschaft, die zuletzt im eigenen Stadion vor einigen Fans hatte flüchten müssen. Dass am Sonntagabend, als Hertha BSC zu einem 5:1-Erfolg beim VfL Wolfsburg gestürmt war, schon wieder das Liedchen "Hey, was geht ab? Die Hertha steigt niemals ab" angestimmt wurde, war eine erste Annäherung. Aber das reichte noch nicht, um die Sehnsucht der Spieler nach einem gesonderten Tänzchen vor der Fankurve zu wecken.

Die kuriose Partie in Wolfsburg, bei der der amtierende Meister vorgeführt worden war, brachte zwei Deutungsversuche ins Spiel. Das Aufbäumen der Hertha im Abstiegskampf, den Stürmer Theofanis Gekas mit drei Toren angenommen hatte, könnte eine Trotzreaktion auf die Peinlichkeiten mit den eigenen Fans gewesen sein. "Was da passiert ist, war eine Respektlosigkeit unseren Spielern gegenüber. Aber hier in Wolfsburg hat sich die Mannschaft selbst belohnt", sagte Hertha-Trainer Friedhelm Funkel.

Fünf Punkte in den letzten sieben Saisonspielen aufzuholen, um den Relegationsplatz noch zu erreichen, ist keine unlösbare Aufgabe. Dass der Glaube an ein Berliner Wunder wieder aufkeimt, hat aber auch mit einem bedenklichen Auftritt des VfL Wolfsburg zu tun. "Wir hatten 120 Minuten in den Beinen", versicherte Nationalverteidiger Marcel Schäfer und meinte den hart umkämpften Europa-League-Triumph drei Tage zuvor gegen Rubin Kasan. Aber das Problem saß nicht nur in den Beinen, sondern auch im Kopf. Der völlig verunsicherte Innenverteidiger Jan Simunek musste nach nur 37 Minuten gegen Grafite ausgetauscht werden. Vor allem seine Fehler hatten dafür gesorgt, dass die Hertha nach gerade einmal 26 Minuten 3:0 geführt hatte.

Der erstaunliche Berliner Sieg rundete ein Wiedersehen der besonderen Art ab. Denn Dieter Hoeneß, der im Sommer vergangenen Jahres bei Hertha ausgeschieden war, hatte sich das Duell seines neuen Arbeitgebers mit seinem früheren Arbeitgeber anders vorgestellt. "Das war eine verdiente Niederlage gegen einen entschlossenen Gegner", sagte der Vorsitzende der VfL-Geschäftsführung. Während er zu einer Analyse eines verkorksten Heimspiel ansetzte, redete sein eigener Trainer Klartext. "Schlimmer geht es nicht. Wir sind von der Hertha bestraft worden", sagte Lorenz-Günther Köstner. Und weil sich der Wolfsburger Übergangscoach gerade in Rage geredet hatte, ließ er gleich noch einen firmeninternen Rüffel folgen. "Wir brauchen hier in der Trainerfrage endlich Klarheit. Die Spieler hängen in der Luft", meinte der bissige Köstner.

Gegen die Existenzängste, die Hertha BSC als Schlusslicht der Liga plagen, sind die Wolfsburger Sorgen Luxusprobleme. "Wir sollten besser nicht rechnen, sondern einfach weiter guten Fußball spielen", sagte der Berliner Profi Fabian Lustenberger. Gegen ihren Rivalen aus Niedersachsen hatte das hervorragend geklappt. Die Hertha zeigte großes Interesse an ihrer Zukunft in der 1. Liga, indem sie eines ihres besten Saisonspiele ablieferte. Der Schweigen von Hoeneß darüber, welcher große Name dem nur auf Zeit vom Amateur- zum Profitrainer beförderten Köstner folgt, sorgt beim VfL für eine leistungsfeindliche Unruhe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.