Howogate nach Hillenbergs Abgang: Abgeordnete fordern mehr Durchblick

Ralf Hillenberg ist weg, doch die Frage bleibt: Wie konnte die Howoge das Vergaberecht umgehen, ohne dass Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer es merkten?

Ralf Hillenberg bei seinem Abgang im Abgeordnetenhaus am Dienstagabend Bild: dpa

Dass das landeseigene Wohnungsunternehmen Howoge die Vergaberegeln mit Füßen trat, ist aktenkundig. Die beiden Howoge-Chefs Hans-Jürgen Adam und Bernd Kirschner hat es den Job gekostet - und den Abgeordneten und Bauunternehmer Ralf Hillenberg am Dienstagabend die Mitgliedschaft in der SPD-Fraktion.

Unklar ist jedoch, wie es zu den Verstößen bei der Auftragsvergabe kommen konnte. Während Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) seinen Vertreter im Aufsichtsrat der Howoge in die Wüste schickte und durch seinen Staatssekretär Christian Sundermann ersetzte, weigert sich Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), Konsequenzen ziehen. Ihr Vertrauter Wolf Schulgen, Abteilungsleiter in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, darf bleiben. "Nach dem bisherigen Ergebnis der Sonderprüfung gibt es keinen Grund, Herrn Schulgen auszutauschen", sagte am Mittwoch ein Sprecher von Junge-Reyer.

Es war ein Showdown mit Verzögerung. Vier Stunden tagte die SPD-Fraktion am Dienstag hinter verschlossenen Türen. Erst am Abend trat Ralf Hillenberg vor die Presse - zuvor war er aus der Fraktion ausgetreten. Sein Mandat, erklärte er den Journalisten, werde er aber behalten. Alles andere, so Hillenberg zur Begründung, käme einem Schuldeingeständnis gleich. Eine Sonderprüfung der Auftragsvergabe bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge hatte am 2. März ergeben, dass Hillenbergs Ingenieurbüro ohne die nötige Ausschreibung Aufträge bekommen hatte.

Der Diskussionsbedarf bei den SPD-Abgeordneten war groß, sagte Fraktionssprecher Thorsten Metter. Ein anderer Abgeordneter erklärte, mehr als die Hälfte der Fraktionsmitglieder habe sich zu Wort gemeldet. "Es war eine sehr nachdenklich Atmosphäre. Aber keiner hat die Position von Hillenberg geteilt."

Hillenberg selbst hatte zu Beginn der Sitzung jede Schuld von sich gewiesen und erklärt, dass er dem Land Berlin nicht geschadet habe. Auch in einer am Mittwoch verbreiteten Pressemitteilung schrieb er: "Ich hatte keinerlei Kenntnis über mögliche Verstöße der Howoge."

Am Ende der Aussprache meldete sich Hillenberg noch einmal zu Wort und erklärte den Austritt aus der Fraktion. Darüber zeigten sich sowohl Fraktionschef Müller als auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit erleichtert. Müller forderte von Hillenberg allerdings auch, das Mandat abzugeben. Hillenberg selbst will hingegen als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament bleiben. Die zwei Stimmen Mehrheit für Rot-Rot sind nicht in Gefahr, weil am selben Tag der bisherige FDP-Abgeordnete Rainer-Michael Lehmann angekündigt hatte, zur SPD zu wechseln. Unterdessen kritisierte der Geschäftsführer der Baukammer, Peter Traichel, die Staatsanwaltschaft. Die hatte erklärt, Hillenbergs Verhalten sei strafrechtlich nicht relevant. Wenn geltendes Preisrecht nicht eingehalten werde, so Traichel, "ist das nicht nur schlicht rechtswidrig, sondern es leiden die Qualität der Bauausführung, die öffentliche Sicherheit, der Verbraucherschutz und die Baukultur". Hintergrund ist ein Interview Hillenbergs, in dem er erklärt hatte, die bindende Honorarordnung für Architekten unterboten zu haben, um Aufträge billiger als die Konkurrenz durchführen zu können. GA, WERA

Die Opposition mag dem allerdings nicht so recht glauben. "Wir brauchen eine Kontrolle, die den Namen auch verdient", sagt der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Jochen Esser. Er kündigte an, Schulgen demnächst in den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses zitieren zu wollen. "Die neue Verfassung gibt uns die Möglichkeit, einzelne Aufsichtsräte landeseigener Unternehmen zu hören", so Esser.

Darüber hinaus wollen die Grünen die Rechte des Rechnungshofs stärken. Der hatte sich in seinem jüngsten Bericht darüber beklagt, dass ihm bei manchen landeseigenen Betrieben die Kontrolle verwehrt werde. So hätten neben dem Klinikkonzern Vivantes "auch die sechs im Eigentum Berlins stehenden Wohnungsbaugesellschaften" keine Prüfungsvereinbarungen mit dem Rechnungshof abgeschlossen. Im Klartext: Unternehmen wie die Howoge entziehen sich der Kontrolle durch den Rechnungshof. Für die Grünen ein Unding: "Wenn der Senat da nicht handelt, müssen wir als Parlament das Betriebsgesetz entsprechend ändern", ärgert sich Finanzmann Esser.

Die haushaltspolitische Sprecherin der Linken, Jutta Matuschek, sieht das ähnlich: "Die Prüfungsbefugnisse des Rechnungshofs müssen gewährleistet sein." Finanzstaatssekretär Sundermann sagte der taz dazu: "Zumindest mit Vivantes sind wir in dieser Angelegenheit in Verhandlungen."

Doch nicht nur Aufsichtsräte und Senat trifft nach dem Auffliegen der Vergabepraxis bei der Howoge die Kritik, sondern auch die Wirtschaftsprüfer. So hat das Consulting-Unternehmen Deloitte die Jahresberichte der Howoge zuvor nicht beanstandet. Im Rahmen der Sonderprüfung, die der Aufsichtsrat am 3. Februar angeordnet hat, haben die gleichen Wirtschaftsprüfer allerdings mehrere gravierende Verstöße festgestellt. Gegenüber der taz verteidigte Howoge-Aufsichtsratschefin Monika Kuban die Firma: "Auch bei einer Jahresprüfung kann es nur Stichproben geben. Da ist es dann Zufall, ob man etwas findet oder nicht."

Dass sich Deloitte bei der Sonderprüfung quasi selbst kontrolliert, begründete Kuban mit der gebotenen Eile. "Bei der Vergabe der jährlichen Prüfungen der Howoge durch Deloitte hat der Aufsichtsrat aber eine Ausschreibung gemacht."

Dass es diese Ausschreibungen überhaupt gibt, geht auf eine Initiative der Linken zurück. "Wir haben durchgesetzt, dass die Wohnungsbaugesellschaften ihre Wirtschaftsprüfer alle drei bis fünf Jahre wechseln müssen", sagt Linken-Haushälterin Matuschek. Sie fordert, dass im Zusammenhang mit der Howoge-Hillenberg-Affäre weitere Beteiligungsregeln auf den Prüfstand kommen.

Auch die SPD beteiligt sich an der Diskussion um bessere Kontrolle. "Wir müssen überlegen, ob wir nicht eine neue Initiative starten, die Aufsichtsräte der landeseigenen Gesellschaften vom Parlament zu wählen", sagte der baupolitische Sprecher Michael Arndt. Eine erste Initiative dieser Art war allerdings am Senat gescheitert. Die Antwort von Bausenatorin Junge-Reyer an den Kollegen Arndt ist auch diesmal eindeutig: "Die Besetzung des Aufsichtsrats ist Sache des Senats", so ein Sprecher der Senatorin. Hinweise darauf, wonach Junge-Reyers Aufsichtsratsvertreter Schulgen durch mehrfache Abwesenheit bei den Howoge-Sitzungen geglänzt habe, wollte der Sprecher nicht kommentieren.

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