Mohammed-Karikatur in Oslo: Angst vor "gewaltiger Sprengkraft"

In Norwegen hat eine Zeitung ein berüchtigtes Hassplakat mit Mohammed als Schwein gedruckt, um eine kleine Geschichte groß zu illustrieren. Proteste gibt es nur in Oslo. Noch.

Die Zeichnerin Tatjana Soskin wurde 1997 zu zwei Jahren Haft verurteilt. Bild: archiv/ap

STOCKHOLM taz | Oslo hat viele aus Pakistan stammende Taxifahrer. Dessen wurden sich in der Nacht auf den Sonnabend die Bewohner der norwegischen Hauptstadt mal wieder bewusst. Denn sie warteten vergeblich auf ihr Taxi nach Hause. Rund 1.000 Taxifahrer muslimischen Glaubens streikten nämlich zwischen zwei und vier Uhr und blockierten mit ihren Autos Teile der City. Es ging um Mohammed.

„Wir protestieren gegen den Missbrauch der Meinungsfreiheit“, erklärte Rashad Munir, einer der Taxifahrer die „spontane“ Aktion: „Wir wollen zeigen, dass wir etwas dagegen haben, wie unsere Wertmaßstäbe missachtet werden.“ Ausgelöst hatte den Protest die Titelseite der Osloer Boulevardzeitung Dagbladet vom vergangenen Mittwoch. Auf der prangte eine Zeichnung, die nicht nur muslimische Gemüter erhitzte: Der Prophet Mohammed in Gestalt eines Schweins, das den Koran schreibt.

Die Zeichnung ist ein berüchtigtes Hassplakat aus dem Jahre 1997. Das damals im Zusammenhang mit gewaltsamen Unruhen um umstrittene neue israelische Siedlungen in Hebron im Westjordanland aufgetaucht war. Die Zeichnerin Tatjana Soskin, eine 28-jährige jüdische Extremistin, war seinerzeit auch festgenommen und wenige Monate später von einem Gericht in Jerusalem wegen Rassismus, der Verletzung religiöser Gefühle und Unterstützung einer Terrororganisation zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt worden. Ihre Zeichnung hatte heftige palästinensische Proteste ausgelöst und war auch vom seinerzeitigen israelischen Premierminister Netanyahu und von der US-Regierung verurteilt worden.

Dagbladet hatte es angebracht gefunden, ausgerechnet mit dieser Zeichnung – deren Geschichte man verschwieg - einen Artikel über eine eher abwegige Karikaturen-„Affäre“ reißerisch anpreisen zu müssen. Auf der Facebook-Seite der norwegischen Sicherheitspolizei „Politiets sikkerhetstjeneste“ (PST) hatte ein Journalist unter den Diskussionsbeiträgen eines der 5.400 Mitglieder dieser Seite einen Link zu einer Internetseite entdeckt, auf dem mehrere Mohammed-Karikaturen, darunter auch das fragliche Hebron-Plakat wiedergegeben werden. Und daraus die Schlagzeile gestrickt, die norwegische Polizei würde im Internet zu Mohammed-Karikaturen verlinken.

Die Titelseite hatte bereits am Erscheinungstag Proteste ausgelöst. Die Eigentümer mehrerer Zeitungskioske weigerten sich, Dagbladet zu verkaufen. Und verschiedene Kommentare wiesen in den vergangenen Tagen darauf hin, dass das Boulevardblatt mit dieser Titelseite wesentlich weiter ging, als die dänische Jyllands-Posten mit ihren Mohammed-Karikaturen vom 30. September 2005, die Monate später zu weltweiten gewaltsamen Protesten geführt hatten. Diese Zeichnung sei von „einer ganz anderen Kategorie“ kritisiert Per Edgar Kokkvold, Generalsekretär des norwegischen Presseverbands „Norsk Presseforbund“: Sei es den Karikaturen in Jyllands-Posten darum gegangen, sich damit auseinanderzusetzen, was versucht werde im Namen Mohammeds zu rechtfertigen, richte sich dieses Plakat gegen Muslime als solche und müsse als „voll von Hass“ verstanden werden, „Muslime sollen damit verletzt werden“.

Während Dagbladet-Chefredakteur Lars Helle seine Zeitung verteidigt, es sei „notwendig gewesen diese Karikatur zu drucken“, kritisiert die Tageszeitung Dagsavisen, es habe keinerlei Proportionalität zwischen der Facebook-Geschichte und diesem Hassplakat bestanden. Aus einer Gedankenlosigkeit mit nur geringem Nachrichtenwert könnten sich nun weitere ernste Folgewirkungen ergeben.

Genau das befürchtet auch Abid Q. Raja, liberaler Politiker mit Wurzeln in Pakistan, der in Mediendebatten regelmässig als Sprecher der in Norwegen lebenden Pakistani auftritt: „Ich weiss ja, wie der Mechanismus funktioniert.“ Würde die Titelseite mit dieser Zeichnung in Pakistan aus dem Zusammenhang gerissen verbreitet „liegt darin eine gewaltige Sprengkraft“.

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