Drahtlose Videoüberwachung: Heikles Überall-TV

Jeder kann private Funkkameras anzapfen - und die Bilder für eigene Zwecke nutzen. Datenschützer raten zum sparsamen Einsatz und zur Verschlüsselung.

Was nützt das Hinweisschild auf Videokameras, wenn dann die Übertragung unsicher ist? Bild: dpa

Sie sind aus Supermärkten, Apotheken, Bars oder Wohnhäusern nicht mehr wegzudenken: Überall hängen kleine Funk-Überwachungskameras, filmen, was um sie herum passiert, und senden die Bilder zum nächsten Empfänger - meist unverschlüsselt. Aufgehängt werden die Kameras mit dem Argument, den Kassenbereich einer Tankstelle, den Eingang eines Restaurants oder auch ein privates Grundstück sicherer zu machen - zum Schutz der Kunden, Verkäufer und Anwohner. Das Problem dieser privat oder kommerziell genutzten Kameras ist die Frequenz, auf der die Daten zum Empfänger gesendet werden: Die Bundesnetzagentur hat die frei zugängliche und unverschlüsselte Frequenz 2.400 Megahertz für diese Zwecke veröffentlicht. Mit einem handelsüblichen Funkempfangsgerät kann jeder auf diese Daten zugreifen. Das hat am Donnerstag die NDR Fernsehsendung "Niedersachsen 19.30 - das Magazin" berichtet.

Wer einmal ein Baby-Phone benutzte, hat dieses Phänomen vielleicht schon erlebt. Kaum ist das Gerät eingeschaltet, findet man sich akustisch nicht in Babys, sondern in Nachbars Schlafzimmer wieder. Was beim unfreiwilligen Lauschangriff auf den Nachbarn allenfalls zu Witzeleien beim nächsten Grillfest führt, kann bei der angezapften Kamera einer Apotheke oder eines Bordelleingangs zum datenschutzrechtlichen Problem für den Gefilmten werden.

Niedersachsens Datenschutzbeauftragter Hans-Joachim Wahlbrink zeigte sich angesichts dieser Sicherheitslücke überrascht und sprach im NDR von einem Skandal. Vor allem kommerzielle Nutzer dieser Überwachungsgeräte könnten von ihren Kunden in Regress genommen werden, wenn die aufgezeichneten Gespräche und Bilder in die Hände Unbefugter gelangten. Einen etwaigen Straftatbestand konnte die Oberstaatsanwältin Irene Silinger von der Staatsanwaltschaft Hannover allerdings zunächst nicht bestätigen. Für weitere Nachfragen war Wahlbrink am Freitag nicht zu erreichen.

Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert zeigte sich hingegen weniger überrascht. "Das Problem mit den unverschlüsselten Funkfrequenzen ist uns seit Jahren bekannt", sagt Weichert. "Aber das hat sich offenbar noch nicht überall herumgesprochen." Technisch sei es gegen einen geringen Mehrkostenaufwand ohne weiteres möglich, die Daten der Funk-Überwachungskameras individuell zu verschlüsseln und nur mit autorisierten Endgeräten zu empfangen. Hier sieht Weichert die Verkäufer der Kameras in der Pflicht, die Kunden entsprechend aufzuklären.

"Leider gibt es im IT-Bereich keine gesetzliche Warnhinweispflicht, wie wir sie aus vielen anderen Bereichen kennen", sagt Weichert. "Solche Warnhinweise auf der Verpackung verpflichtend durchzusetzen, wäre politisch das Allermindeste!" Außerdem fordert Weichert eine Meldepflicht für Überwachungskameras, damit die Datenschützer die Chance haben, für mehr Transparenz und Kontrolle zu sorgen.

"Die ganze Aufregung ist grotesk", sagt auch Nils Zurawski vom Forschungskolleg Kulturwissenschaftliche Technikforschung der Uni Hamburg. "Es darf doch niemanden ernsthaft verwundern, dass man Funk abhören kann." Die Frage sei vielmehr, warum der Verkaufsraum einer Apotheke oder der Eingangsbereich zu einem Bordell überwacht werden. "Diese privat und kommerziell genutzten Kameras nehmen inflationär zu, weil sie billig, überall zu kaufen, leicht zu installieren sind und es wird in der öffentlichen Debatte vermittelt, dass sie Sicherheit bringen", sagt Zurawski. "Wir sollten daraus lernen, dass wir diese Überwachungskameras sparsam einsetzen sollten, das ist noch der beste Schutz der Privatsphäre."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.