Tacheles erklärt Insolvenz: Künstler hoffen auf Wunder

Das Kunsthaus in Mitte hat seine Insolvenz erklärt - ein Hilferuf angesichts der drohenden Räumung. Der Eigentümer will offenbar eine Luxusbebauung durchsetzen.

Kunsthaus im Schnee und in sogenannter Premiumlage Bild: dpa

Wenn ein Jurist auf dem Podium eines Künstlerhauses sitzt, ist die Lage ernst. Der vorläufige Insolvenzverwalter Joachim Voigt-Salus konnte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag im "Goldenen Saal" des Tacheles denn auch keine Hoffnung für das Künstlerhaus in Aussicht stellen. "In den nächsten Wochen oder Monaten muss mit dem Ende gerechnet werden", sagte Voigt-Salus. Nur ein Wunder könne die Räumung der Kaufhausruine am Oranienburger Tor verhindern.

Kurz vor Weihnachten hatte der Tacheles-Vorstand die Insolvenz erklärt, die Voigt-Salus derzeit prüft. Mit der öffentlichen Bankrotterklärung wollen die Künstler auf ihre dramatische Situation aufmerksam machen: Zum 31. 12. 2008 lief der 10-jährige Mietvertrag des Künstlerhauses aus, der noch aus Nachwendezeiten stammt: Für symbolische 50 Cent pro Monat durften die Künstler die Ruine, die sie nach der Wende besetzt hatten, bespielen und leisteten dafür Instandsetzungsarbeiten. Anfang 2009 gerieten die Verhandlungen über eine Weiternutzung ins Stocken. Die Künstler, die vergeblich ein Zukunftskonzept eingereicht hatten, blieben trotzdem. Nun hat die Eigentümerin des Geländes, die HSH Nordbank, ausstehende "Nutzungsentschädigung" eingeklagt.

Bei Zugrundelegung marktüblicher Mieten ist das Tacheles jetzt 108.000 Euro schuldig. "Das Geld haben wir nicht", sagte Tacheles-Vorstand Martin Reiter. Er warf der HSH Nordbank vor, die Künstler der Immobilienverwertung zu opfern. "Hier ist eine Luxusbebauung geplant - ohne uns." Das 30.000 Quadratmeter große Areal in bester Citylage wird seit Ende 2007 von einem Insolvenzverwalter bestellt. Die Kölner Fundus Gruppe leistete als Eigentümerin keine Zahlungen mehr an die kreditgebende HSH Nordbank. Diese beantragte daraufhin die Zwangsversteigerung.

Die HSH Nordbank will offenbar den Weiterbestand des Kunsthauses verhindern, das mit 300.000 Besuchern im Jahr ein Touristenmagnet ist. Selbst wenn es den Künstlern gelänge, den geschätzten Verkehrswert von 3,5 Millionen Euro für das Gebäude aufzutreiben, wäre das vergebens. "Einen Teilverkauf des Geländes lehnt die Bank strikt ab", bestätigt Anwalt Voigt-Salus. Ein Käufer für das 30-Millionen teure Gesamtgrundstück ist nicht in Aussicht. Trotzdem will die Bank das Haus räumen lassen. Ob die Zwangsversteigerung am Ende eine Finte der Fundus Gruppe ist, um ihr geplantes Wohn-und Geschäftsquartier doch noch realisieren zu können? Darüber wird nicht nur im Goldenen Saal spekuliert.

Für die 40 Künstler, die ohne Heizung in ihren Ateliers ausharren, ist die Bedrohung real. Vorstand Reiter hofft nun auf konkreten Beistand des erklärten Tacheles-Fans Wowereit. Auch Besuche bei Hamburgs Bürgermeister van Beust und in Kiel, dem Sitz der HSH Nordbank, planen die Künstler. Die Koffer werden sie aber nicht packen - das Tacheles hat bereits drei angedrohte Räumungen überlebt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.