Ökonomin über Ernährerinnen: "Ein ungeplanter Rollentausch"

Immer mehr Frauen sind die neuen Ernährerinnen, zeigt eine Studie der Ökonomin Christina Klenner, die am Donnerstag auf der Bundesfrauenkonferenz des DGB vorgestellt wurde.

Sie zieht immer öfter den Karren: Familie an der Ostsee. Bild: dpa

taz: Frau Klenner, der Familienernährer, das war bisher die Parade-Männerrolle. Nun steigt die Zahl der Frauen, die ihre Familie ernähren. Ist das schon eine relevante Gruppe?

Christina Klenner: Ja, der männliche Familienernährer ist nicht mehr die Regel. Nur noch in 48 Prozent der Haushalte, in denen Frauen leben, werden sie vom Mann versorgt. Dagegen hat sich die Zahl der Frauen, die etwa gleich viel zum Einkommen beitragen, auf mittlerweile 16 Prozent erhöht. Ebenfalls 16 Prozent sorgen als Single für sich selbst. Vor allem aber gibt es mehr weibliche Ernährerinnen: Das sind die acht Prozent Alleinerziehenden, aber eben auch 11 Prozent der Frauen in Paarhaushalten. Und diese Zahl ist gestiegen.

Wie wird eine Frau zur Familienernährerin?

Die Männer in diesen Haushalten können die Ernährerrolle nicht mehr erfüllen. Fast die Hälfte der Männer sind auch voll erwerbstätig, aber sie verdienen so wenig Geld, dass die Frau das bessere Einkommen hat. Die zweitgrößte Gruppe ist die der arbeitslosen Männer.

Sind die Frauen besser qualifiziert als ihr Mann?

Nicht unbedingt, oft sind beide ähnlich qualifiziert. Und viele Frauen sind in diesen typischen Dienstleistungsberufen, wie etwa in der Pflege.

Wie kann man mit einem unterbezahlten Pflegejob Familienernährerin werden?

Indem der Mann einen noch schlechteren Job hat. Unsere Familienernährerinnen leben häufig in der Nähe der Armutsgrenze. Viele ihrer Männer sind kleine Selbständige: Mal kommt etwas rein, mal nicht. Deshalb ist es so tragisch, dass Frauenjobs oft unterbezahlt sind, sie gelten als Zuverdienerjobs. De facto sind das aber mehr als die Hälfte der Frauen nicht mehr. Das Bild stimmt nicht mehr, und vor allem stimmt der Lohn nicht mehr.

Es gab historisch öfter so eine Umkehr der Ernährerrolle, wenn etwa ein Industriezweig starb. Sehen Sie Parallelen?

Natürlich sind wir auch in einer Krisensituation. Neu ist aber, dass Frauen nicht wieder zurück in die Hausfrauenrolle wollen. Finanzielle Unabhängigkeit ist ihnen extrem wichtig. Dass sie dabei den Mann überflügeln, haben sie so nicht geplant. Im Gegenteil, viele wollen den Rollenverlust der Männer eher kaschieren. Manchmal nehmen sie extra nur die billigere Urlaubsreise, obwohl sie sich von ihrem eigenen Einkommen her eine teurere leisten könnten.

Arbeiten diese Männer dann mehr im Haushalt?

Das ist unterschiedlich. Auffällig ist, dass Frauen nicht die klassische Ernährerrolle übernehmen wollen - ohne Kontakt zu Kindern und Haushalt. Sie wollen eine Integration der Rollen. Eigentlich suchen sie das egalitäre Modell.

Nach den Hartz-Reformen gab es Bedenken, dass die Abhängigkeit der Frauen von den Männern größer wird. Wie kommt es zu dieser Umkehr?

Es gibt beide Entwicklungen, nur hat auf die zweite niemand geachtet. Ein Mann konnte vor der Hartz-Reform arbeitslos sein und dennoch mit der Arbeitslosenhilfe seine Familie ernähren. Das ist nun nicht mehr möglich.

Welche Konsequenzen sollte die Politik nun ziehen?

Am wichtigsten ist sicherlich, dass die Löhne für die typischen Frauenjobs steigen: die Frauen sind keine Zuverdienerinnen mehr. Die Arbeitswelt müsste sich auf arbeitende Eltern einstellen. Dazu sind qualifizierte Teilzeitjobs nötig und Personal, das einspringt, wenn ein Kind krank wird. Langfristig brauchen wir wieder eine Absicherung der Existenzrisiken jenseits von Hartz IV, etwa durch eine Umverteilung der Lebensarbeitszeit.

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