Kommentar Schulreform in Berlin: Schafft das Gymnasium ab!

Berlin stellt auf ein zweigliedriges Schulsystem um. An das bildungsbürgerliche Heiligtum, das Gymnasium, hat sich der Berliner Senat jedoch nicht herangewagt.

Berlin hat die Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem beschlossen. Künftig sollen Kinder nicht mehr nach der Grundschule entweder am Gymnasium oder an einer der neuen "Sekundarschulen" lernen. Zu dieser werden die bisher bestehenden Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammengefasst. Die umliegenden, "östlichen" und "neuen" Bundesländer kennen ein ähnliches System.

An das bildungsbürgerliche Heiligtum, das Gymnasium, hat sich die rot-rote Regierung der Hauptstadt aber nicht herangewagt: Es bleibt neben der Sekundarschule weiter bestehen. Zwar lief, anders als in Hamburg, keine Elterninitiative gleich gegen die ganze Schulreform Sturm. Doch für den Erhalt des Gymnasiums haben die Eltern schon gekämpft - unterstützt von CDU, FDP, GymnasiallehrerInnen und auch von Teilen der SPD.

Fraglich, ob sich das Ziel der Reform, die soziale Selektion in der Hauptstadt zu verringern, auf diesem Wege erreichen lässt. Dabei könnten die neuen Sekundarschulen den Gymnasien durchaus Konkurrenz machen. Nicht nur, weil auch sie den Weg zum Abitur bieten. Sondern weil Gymnasiasten bald neiderfüllt auf die abwechslungsreichen Bildungsmöglichkeiten ihrer AltersgenossInnen an den Sekundarschulen schauen könnten, wenn diese ihre Freiheit zu individuellen Lehrplänen, neuen Unterrichtsformen und vielerlei Kooperation mit Betrieben, Sportvereinen, Musikschulen gut nutzen. Denn an vielen Gymnasien ist nach wie vor dröges Pauken angesagt.

Nun liegts an den Eltern. Betrachtet man die Pisa-Analysen und die Erfahrungen anderer Länder, sind die verbreiteten Ängste vieler Eltern vor gemeinsamem Lernen in gemischten Klassen weitgehend irrational. Überwinden sie ihre Ängste, könnte Berlins Reform tatsächlich eine Tür zu mehr sozialer Gerechtigkeit öffnen. Noch besser geeignet wäre dazu aber eine Schule für alle, mit gemeinsamem Lernen bis Klasse 10, wie es sie in Frankreich und in Polen gibt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.