Spiele-Markt wandert ins Netz: Browser gegen Konsole

Die klassische Spielekonsole mit teurer Hardware gerät unter Druck. Der Trend geht dahin, Spiele direkt im Browser zu spielen. Der radikale Wandel dürfte selbst Marktriesen erschüttern.

Wer übernimmt die Kontrolle? Bild: reuters

BERLIN taz | Viele Jahre lang bedeutete das Spielen an PC oder Spielekonsole, dass man sich neben dem Grundgerät regelmäßig im Laden oder im Versandhandel mit neuen Datenträgern eindecken musste, um seinen Appetit auf neue Games zu stillen. Von den 40 bis 70 Euro, die ein solcher Titel dann kostete, musste der Hersteller nicht nur die Programmierer und Designer bezahlen, sondern auch die Produktion von DVD/CD samt Hülle und den Vertrieb zum Endkunden.

In den nächsten Jahren dürfte sich dieser klassische Weg zum Spielvergnügen radikal wandeln, wenn Experten recht behalten. Sie sagen voraus, dass der Vertrieb von Games künftig nur noch online erfolgen wird. Radikaler noch: Statt leistungshungriger Geräte mit enormer Grafik- und Rechenleistung soll demnächst nur noch ein relativ dummes Terminal, sprich: ein Billig-PC, zur Erfüllung aller nur erdenklichen Gamer-Träume ausreichen.

Dass der Spielehandel ins Netz wandert, ist schon seit längerem absehbar. So bieten Plattformen wie "Steam" (PC) oder "Xbox Live" inzwischen die Möglichkeit, auch Vollpreistitel mit mehreren Gigabyte auf die heimischen Geräte herunterzuladen – schnelle Breitbandleitungen machen es möglich. Bezahlt wird mit Kreditkarte oder wiederaufladbaren Punktewährungen.

Bei Electronic Arts (EA), einem der größten Spielehersteller der Welt, geht man davon aus, dass bereits 2010 der digitale Vertrieb den Markt der Konsolenspiele überholt haben wird. "Das ist schon jetzt eine ganze Industrie", sagt John Riccitiello, Boss von EA. Während zuvor vor allem Casual Games zum schnellen Gaming zwischendurch beliebt beim Digitalvertrieb waren, kommen inzwischen auch Spielehits durch die Leitung.

So verkaufte Take-Two etwa die jüngsten Episoden des Action-Spiels "GTA IV" zunächst nur über das Internet, erst später folgte ein Boxset aus physischen Datenträgern. Dem guten Absatz der Erweiterungen tat dies keinen Abbruch – im Gegenteil, die schnelle Auslieferung per Netz scheint die Nutzer sehr erfreut zu haben, weil sie ihre Software sofort erhielten, statt im Laden auf sie warten zu müssen.

Während der aktuelle Digitalvertrieb, der bei keiner Spielekonsole und keinem PC fehlen darf, weiterhin auf bestehende Geräte setzt, soll sich der Spielemarkt bald schon viel radikaler wandeln: High-End-Games wandern nämlich in den Browser und können damit auch auf sehr einfachen Maschinen gespielt werden – und zwar direkt aus dem Netz angeliefert über einen so genannten Streaming-Dienst.

Gut finanzierter Branchenprimus ist OnLive, eine Plattform, die noch in diesem Winter starten könnte. Dort betreibt man eine gigantische Serverfarm, in der sich zahllose schnelle Spielerechner befinden. Diese senden das Bild eines Games per Internet an den Browser des Kunden, wie man es beispielsweise vom Fernsehen her kennt. Über einen speziellen Controller wird das Spiel gesteuert, als würde man direkt an Konsole oder High-End-PC sitzen. Die Signale des Steuergeräts werden ebenfalls per Internet übertragen.

Der Vorteil von OnLive liegt in der großen Auswahl an Titeln: Verträge wurden bereits mit EA, Ubisoft, Take-Two, Atari, THQ, Eidos und zahlreichen anderen Herstellern geschlossen. Deren Titel, auch die aktuellsten, sollen nach und nach über die Plattform angeboten werden. Wer keinen Rechner mit Browser hat, kann OnLive auch mit einer sehr billigen "MicroConsole" spielen, einem Anzeigegerät mit integrierten Controllern.

Möglich machen die Technik die allgemein verbesserte Breitbandanbindung vieler Nutzer sowie Fortschritte bei Kompressionsalgorithmen. Nur so lassen sich auch actionreiche Titel zeitnah übertragen. Neben OnLine bemühen sich noch weitere Firmen um einen ähnlichen Dienst.

Wenn es nicht High-End-Spiele sein müssen, tut es unterdessen auch ein ganz normaler Browser ohne OnLive & Co.: Immer mehr komplexe Games, die sogar 3D-Grafik unterstützen, tauchen auf Websites auf. Der Trend dürfte sich verstärken, weil Web-Programme wie Firefox inzwischen eine beschleunigte Grafikleistung beinhalten.

Fazit: Eine Konsole wie bisher braucht also bald niemand mehr. Es sei denn, es gelingt, den Herstellern mit neuen Steuerungsmöglichkeiten, die Gamer an der Konsole zu halten. Vorreiter ist hier Nintandos Wii mit ihrer Remote-Steuerung, aber auch Microsoft und Sony arbeiten an neuen Steuerungstechniken. Beim neuen Microsoft-Projekt "Natal" etwa soll es möglich sein, seine Spielfigur allein mit Körperbewegungen zu steuern, die von einer 3D-Kamera analysiert werden. Das geht im Browser vermutlich so bald nicht.

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