Erfahrungen mit dem Bachelor: "Dozenten hatten keinen Schimmer"

Karina Ehlers* hat bis 2008 in Potsdam Linguistik auf Bachelor studiert. Jetzt macht sie ihren Master in London. Das Protokoll.

Nicht gerade Liebling der Studenten: Der Bachelor. Bild: dpa

"Auf den ersten Blick sieht der Bachelor gar nicht so schlimm aus: Ich musste pro Semester acht Kurse schaffen, später auch ein bisschen weniger, nach sechs Semestern sollte ich fertig sein. Wir haben keinen Stundenplan in die Hand gedrückt bekommen, wie das oft erzählt wird, sondern Vorgaben, welche Module wir absolvieren mussten und welche Kurse man dafür braucht. Doch der Schein trügt. Die meisten Kurse haben zwei Termine: eine Vorlesung und ein Tutorium. Man ist also schon mal bis zu 24 Stunden wöchentlich in der Uni, dazu kommen dann noch Bibliothek, Hausarbeiten, Referate und so weiter.

Am Ende des Semesters gab es immer eine Prüfung. Eine für jeden Kurs. Bei den Einführungskursen gab es auch manchmal eine weitere Prüfung in der Mitte. Später im Studium waren es bei den meisten Kursen dann Hausarbeiten am Ende. Zum Teil hätte ich sieben Hausarbeiten am Ende des Semesters schreiben müssen - das habe ich nicht geschafft. Die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Veranstaltungen zu wählen, gab es oft nur auf dem Papier. Zwar wurde immer gesagt, dass man Kurse besuchen kann, wie man will, aber das ist eine zusätzliche zeitliche Belastung. Denn die Pflichtkurse musste ich trotzdem bestehen. Manchmal wurde nur ein Kurs in dem Modul angeboten - dann muss man den machen.

Außerdem schränkt das Punktesystem die Wahlmöglichkeiten ein. Man hat eine bestimmte Zahl von Belegpunkten, die man verbrauchen darf, und eine bestimmte Zahl von Leistungspunkten, die man erbringen muss. Man darf also durch ein paar Kurse durchfallen. Fällt man aber durch zu viele durch, wird man exmatrikuliert, so hieß es zumindest. Durchfallen kann man auch, wenn man nicht regelmäßig teilnimmt, das wird durch Anwesenheitslisten kontrolliert. Wer mehr als dreimal fehlt, muss wiederholen.

Dazu kam: Keiner hatte eine Ahnung, wie es laufen sollte. Jeder hat etwas anderes gesagt. Die verschiedenen Dozenten hatten alle keinen Schimmer - sie wussten nicht mal, wie viele Punkte man in ihrem Kurs bekommt oder zu welchem Modul der Kurs gehört. Eine Dozentin hatte noch nie was von Modulen gehört! Dabei sind die Module die Grundlage des Bachelor-Studiums.

Im sechsten Semester wollte ich das Studium abschließen. Mir fehlten noch acht Kurse, das wäre machbar gewesen. Aber für zwei Kurse musste ich an eine andere Fakultät gehen, da sie bei uns nur selten angeboten wurden. Wohlgemerkt: nur eine andere Fakultät. Doch die hat mit einem anderen Punktesystem gearbeitet. Statt vier und acht Punkten wie bei uns gab es drei und sechs. Ich hätte also drei Kurse anstelle von zwei machen müssen, um auf die Punktezahl zu kommen - und das war in einem Semester wieder nicht zu schaffen. Das ist ein Grund, weshalb ich länger gebraucht habe. Andere haben ganz aufgehört. Von denen, die mit mir angefangen haben, das waren 20, haben nur etwa fünf den Abschluss gemacht. Viel habe ich von meinen Kommilitonen nicht mitbekommen - ich hatte zu viel zu tun."

PROTOKOLL: SVENJA BERGT

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