Kommentar Afghanistan: Neue Linie, alte Ohnmacht

Die in Afghanistan militärisch präsenten Staaten sind von Karsai mindestens ebenso abhängig wie es umgekehrt der Fall ist. Es geht nur noch um Gesichtswahrung.

Der Präsident dirigiert ein korruptes System - und ist dafür nicht mal demokratisch legitimiert. Die auf ihre rechtsstaatliche Verfasstheit stolzen Staaten der Nato bleiben der absurden Zeremonie hinter den Palastmauern Kabuls nicht etwa fern. Die erste Reihe der Außenminister dieser Welt versammeln sich vielmehr zu Ehren des Wahlfälschers in der abgeriegelten Parallelwelt inmitten des Afghanistankrieges.

Nein, sagen die Staatsgäste, ein Einknicken sei das selbstverständlich nicht. Denn ab sofort wollen sie sich nichts, aber auch gar nichts mehr bieten lassen: Jetzt ist Schluss mit Korruption, Schluss mit dem Schutz verbrecherischer Warlords. Zu Guttenberg, Bundesminister für kriegsähnliche Zustände, hat es vorgemacht. Westerwelle und seine Außenamtskollegen legen nun nach: Wenn Karsai jetzt nicht pariert, dann kann er aber mal was erleben!

Bloß: Was denn eigentlich? Finden doch noch demokratische Wahlen statt? Wird alle Hilfe für die Regierung eingestellt? Ziehen die Nato-Truppen unverzüglich ab?

ist Politikwissenschaftler und lebt als freier Autor in Berlin.

Natürlich nicht. Die in Afghanistan militärisch präsenten Staaten sind von Karsai mindestens ebenso abhängig wie es umgekehrt der Fall ist. Denn die offizielle Abzugsoption für die ISAF-Truppen basiert einzig auf der Idee, irgendeine staatsähnliche Macht im Land aufzurüsten. Die besteht halt aus Karsai und einigen von der ISAF begünstigten Warlords, die sich jetzt Gouverneure nennen. Und die wissen, dass die Nato in Afghanistan nur noch das Ziel hat, ihr Gesicht zu wahren.

Drohungen aber sind nur Drohungen, wenn der oder die Drohende auch bereit ist, sie tatsächlich umzusetzen. Ginge die Nato wirklich gegen Karsai vor, ließe sie gar den Präsidenten fallen, würde sie zuallererst sich selbst schaden. Sie stünde ohne jede Exit-Strategie da. Die neue, vermeintlich harte Linie ist daher vor allem eines: Indiz für die Ohnmacht der Nato-Truppen in Afghanistan.

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