Bildungsstreik: Der erste Streich der Bildungsbande

Rund 15.000 Schüler und Studierende gehen für eine bessere Bildung auf die Straße. Sie fordern mehr Mitbestimmung, kleinere Klassen und die Abschaffung der Bachelor- und Masterabschlüsse.

Studierende und Schüler protestieren am 17. November Bild: dpa

Sogar der Bildungstod ist mit dabei. Ganz in Schwarz, mit einem Hemd in Fetzen und pechschwarzer Sense wühlt er sich durch die ersten Reihen der Demonstranten. Dort haben Schüler und Studenten lange Transparente aufgespannt. "Bildungsstreik, Mensastreik, Generalstreik" steht darauf und "Gemeinsame Kämpfe für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen".

Die Botschaft ist klar: Schüler und Studierende wollen auf ihrem zweiten Bildungsstreik in diesem Jahr nicht für sich allein kämpfen, sondern eine möglichst große gesellschaftliche Masse hinter sich versammeln. Das ist ihnen zumindest bei der Demonstration am Dienstag nicht gelungen: Die Veranstalter sprechen im Anschluss von 15.000 Teilnehmern. Im Juni waren es mehr als 20.000 gewesen. Im Vorfeld hatte die Polizei zehn Teilnehmer vorübergehend festgenommen - sie hätten unter anderem Pfefferspray mit sich geführt.

Die Sense des Bildungstods ragt aus einer Menschengruppe heraus, als sich der Demonstrationszug vor dem Roten Rathaus in Bewegung setzt. Zuvor hatte das Schülerbündnis "Bildungsblockaden einreißen" kleinere Klassen und mehr Lehrer gefordert und ein Student der Freien Universität (FU) ein selbstbestimmteres Studium - alles Ziele, die auch schon im Juni auf der Agenda standen.

"Die Forderungen sind schon die gleichen geblieben", sagt ein Student der Technischen Universität (TU). Doch das sei kein Beweis dafür, dass die Proteste damals umsonst gewesen seien, sondern ein Zeichen, dass man dem Gegner noch mehr entgegensetzen müsse. Und wer ist der Gegner? "Die Politiker, auch die, die sich jetzt vordergründig mit uns solidarisieren - und dann doch nichts machen."

Vor der Humboldt-Universität hat sich ein Teil einer Einsatzhundertschaft Polizisten postiert, sieben Mannschaftswagen stehen auf dem Gehweg. Vor einem Jahr hatte hier im Anschluss an eine Bildungsdemonstration eine Reihe Schüler das Foyer gestürmt und eine Ausstellung zerstört. Eine Studentin, Kaffeebecher in der einen, Tasche in der anderen Hand, die gerade aus dem Gebäude kommt, schüttelt beim Anblick der Mannschaftswagen den Kopf. Warum sie nicht beim Streik ist? "Keine Zeit für so was."

Schülerin Aini vom Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasium in Prenzlauer Berg ist dagegen mit mehreren Klassenkameraden zur Demo gekommen. Die Neuntklässler sind ein begehrtes Fotomotiv: Sie haben sich Mundschutze umgebunden und darauf mit Filzstift ihre Forderung geschrieben: "Kostenlose Bildung für alle". "Wir streiken trotz Schweingegrippe-Gefahr", sagt Aini. Die Freunde übertönen sich gegenseitig mit Wünschen, was an der Schule anders laufen soll: weniger Druck, weniger Hausaufgaben, kleinere Klassen. "Die Lehrer sollen sich mehr Zeit für uns nehmen", sagt Aini. Bevor sie sich in die Demo einreiht, zieht sie ihren Mundschutz vors Gesicht.

Vor dem Axel-Springer-Verlag legt der Zug eine Pause ein. Zwischenkundgebung, zwei Lautsprecherwagen überbieten sich gegenseitig mit Parolen. "Morgenpost in den Ofen, Bild zu Klopapier", fordert der eine; "Enteignet Springer" der andere. Als die Demonstranten schließlich am Oranienplatz ankommen, hat der Regen die Plakate aus Pappe durchweicht. "Delete the elite" ist kaum noch zu lesen.

Auch wenn weniger Menschen dabei waren - die Proteste seien stärker als im Juni, sagt eine FU-Studentin. "Es könnte daran liegen, dass gerade das Semester angefangen hat und volle Stundenpläne und volle Hörsäle jetzt viel stärker im Bewusstsein sind."

Auch Julian, Mitorganisator der Berliner Proteste, glaubt, dass die Bewegung eine andere Qualität hat als im Juni. "An den Besetzungen in den Hochschulen sind dieses Mal ganz viele Leute beteiligt, die nicht in irgendwelchen gesellschaftlichen oder Hochschulgruppen organisiert sind", sagt er. Er bezeichnet die Proteste daher als "basisdemokratischer".

Die geringere Teilnehmerzahl auf der Demo erklärt er vor allem mit einer kürzeren Mobilisierungszeit. "Man muss sich vor Augen führen, dass die Uni-Besetzungen hier erst eine Woche alt sind. Das ist noch nicht bei allen so angekommen." Er geht davon aus, dass sich das in den nächsten Wochen noch ändert. Und die Proteste so lange dauern, bis die Politik darauf reagiert.

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