Personenkontrollen: Stigma weg

Zu wenig Probleme: Die Polizei hat das "Gefahrengebiet Bergedorf" aufgehoben.

Durchsuchung, harmlose Variante: Polizistin mit Metalldetektor. Bild: DPA

Wenn die 21-jährige Bankkauffrau Silke Klein* aus Bergedorf auf die Piste geht, hat sie vieles dabei, um auf Eventualitäten vorbereitet zu sein. Doch seit sie mit einer Clique aus Neuallermöhe unterwegs ist, überlegt sie sich, was sie in die Handtasche steckt. Seit Ende letzten Jahres sind sie und ihre Freunde mehrfach von der Polizei vorbeugend kontrolliert worden.

"Das war schon peinlich, als wir angehalten wurden, ich die Handtasche entleeren und alle meine intimen Utensilien vom Kondom bis zum Ersatz-Slip vor Gaffern auf der Kofferraumhaube des Streifenwagen ausbreiten musste", erzählt Klein. Ein anderes Mal habe sie sogar ihre Stiefel ausziehen müssen, sagt Klein, "weil die Bullen-Tussi meinte, ich könnte ein Messer für meinen Russenfreund im Schaft meiner Starksen versteckt haben".

Mit solchen Generalverdachtskontrollen soll in Hamburgs Osten jetzt Schluss sein. Das "Gefahrengebiet Bergedorf" ist seit dem 28. Oktober aufgehoben. Aus Polizeikreisen ist zu erfahren, dass sich die örtliche Revierleitung bei der Zentraldirektion für die Aufhebung stark gemacht hat, da die jugendliche Zielgruppe keine Probleme mehr mache.

Verdachtsunabhängige Kontrollen mit Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen sind nach dem Polizeigesetz seit Juni 2005 möglich. Dabei reicht es aus, dass die Polizei eine Region aufgrund eigener Erkenntnisse zum "Gefahrengebiet" erklärt. Bergedorf, Neuallermöhe und Nettelnburg galten seit dem Dezember 2005 als Gefahrengebiete. Wegen des hohen Anteils an Russlanddeutschen hatte die Polizei hier einen Anstieg an Gewaltkriminalität prognostiziert.

Laut einer Senatsantwort auf eine Anfrage der Linkspartei, wurden dort bis Ende September diesen Jahres 7.889 Menschen verdachtsunabhängig angehalten, 972 wurden durchsucht, 114 festgenommen; 2.188 Menschen wurden Platzverweise erteilt. Diese Kontrollen trugen jedoch 2008 nur in einem Dutzend Verfahren zu Freiheits- oder Geldstrafen bei.

"Wir freuen uns, dass das Gefahrengebiet Bergedorf aufgehoben wurde, weil die willkürlichen Kontrollen der Polizei viele Jugendliche und Migranten in Bergedorf diskriminiert haben", sagt Christiane Schneider, Innenexpertin der Linkspartei. Seit April führt sie eine Kampagne gegen die staatlichen Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht.

"Drei Jahre hat uns das Gefahrengebiet begleitet, wo Jugendliche ständig ohne Anlass kontrolliert wurden", sagt Stephan Jersch, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei in Bergedorf. Die Linke habe immer die Notwendigkeit dieser rechtlich zweifelhaften Maßnahme bestritten, sagt Jersch. "Diese rechtliche Sonderzone hat ganze Bevölkerungsgruppen stigmatisiert und dem Ansehen Neuallermöhes schweren Schaden zugefügt."

* Name geändert

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.