Hamburg plant Gängeviertel-Rückkauf: Pokern um Peanuts

In Hamburg halten Künstler das Gängeviertel besetzt, um es vor der Totsanierung zu bewahren. Nun will die Stadt das Areal vom Investor zurückkaufen.

Umkämpt: das Hamburger Gängeviertel. Bild: dpa

Das lange Gerangel um das von 200 Künstlern besetzte Hamburger Gängeviertel scheint einen Abschluss zu finden. Die Hansestadt will das innerstädtische Areal vom niederländischen Investor Hanzevast zurückkaufen. "Die Verhandlungen sind kurz vor der Einigung", sagt der GAL-Fraktionschef im Bezirk Mitte, Michael Osterburg. In der Presse kursieren Zahlen zwischen 2 Millionen und 2, 6 Millionen als Rückkaufpreis. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt konnte jedoch weder den Kaufpreis noch den Optimismus der Berichte bestätigen. "Es ist noch nichts zum Abschluss gekommen", sagte ein Sprecher.

Tatsächlich scheint in dem Fall auch Vorsicht geboten zu sein. Schon einmal hatte halb Hamburg ja zu früh gejubelt im Streit um die historischen Reste des Gängeviertels, dessen Höfe und engen Gassen die Künstlerinitiative "Komm in die Gänge" als Kunstcluster mit Ateliers, Wohnungen und Ausstellungsflächen erhalten will. Da hatte sich herumgesprochen, dass der Investor - der Finanzkrise sei dank - eine fällige Rate nicht begleichen könne und das Gelände damit an die Stadt zurückfallen werde. Die ursprünglichen Sanierungspläne, die nur den Erhalt der Fassaden, ansonsten aber die Umwandlung des kleinen Viertels in ein hochpreisiges Szene-Quartier vorsehen, wären damit hinfällig geworden. Und dann ging das Geld in letzter Minute auf dem Konto ein.

Das war Mitte Oktober, und was dann folgte, sah von außen betrachtet nach einer beispiellosen Seifenoper aus und war vielleicht doch ein knallharter Polit-Poker. Hanzevast pochte auf sein Recht, und drängte die Stadt zur Teilräumung. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt scheint dagegen bis heute davon auszugehen, dass Hanzevast blufft: Der Investor habe die Oktober-Rate noch gerade zusammengekratzt, weil das Gängeviertel bereits zum stadtbewegenden Politikum avanciert war.

Für den Investor tat sich damit die Gelegenheit auf, mit goldenem Handschlag aus dem Geschäft auszusteigen. Sich ihm allzu rasch zu öffnen, hätte den Preis in die Höhe getrieben, dachte sich offenbar die grün geführte Stadtentwicklungsbehörde. Sie tauchte ab und wurde dafür von Künstlern, Medien und Opposition arg gescholten.

Und dann gab es da noch einen weiteren Spieler: die CDU-geführte Finanzbehörde, von der bekannt ist, dass sie seit einigen Jahren vom Pelz bis zum Hosenknopf alles verscherbelt, was ihr an städtischem Besitz auch nur irgend entbehrlich scheint. Dem Finanzsenator Michael Freytag wurde zuletzt nicht nur vorgeworfen, eine frühere Einigung mit Hanzevast verhindert zu haben. Er soll sich bereits nach einem Nachfolge-Investor umgeschaut haben.

Eins haben die Künstler seit Anfang der Besetzung am 22. August aber immer deutlich gemacht: Es gibt für sie nur eine städtische Lösung, ohne Investor. Die rückte wieder näher mit der Kampfansage der grünen Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk, die städtebauliche Planung unter Denkmalschutzaspekten neu zu überarbeiten. Tags darauf bot Hanzevast der Stadt eine Rückabwicklung an, die im Preis "deutlich unter den tatsächlich entstandenen Planungskosten von vier Millionen Euro" lag.

Bei sechs Milliarden Euro neuer Kredite, die Hamburg zurzeit aufnimmt, heißt das im Klartext: Es wird um Peanuts gepokert.

Schon einmal hatte Hamburg zu früh gejubelt im Streit um das Gängeviertel

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