FC Bayern in der Krise: Rekordstrafe für Lahm

Philipp Lahm wird nach einem Interview hart attackiert von Manager Hoeneß. Das 1:1 gegen Schalke 04 und eine kleine Ungezogenheit von Luca Toni geraten zu Randnotizen.

Vergleichsweise leichter Tanz: Lahm gegen Kuranyi. Bild: ap

MÜNCHEN taz | Es herrscht kein Krieg beim FC Bayern, nicht doch. Weder Bodentruppen noch die Luftwaffe sind im Einsatz, die Marine ist vorerst mal im Hafen geblieben, und auch die Kavallerie ist nicht ausgerückt. Die Waffen, mit denen in München derzeit gekämpft wird, bestehen aus handelsüblichen Buchstaben. Doch auch die können - in der entsprechenden Anordnung - Wunden zufügen. Tiefe Wunden. Vielleicht sogar unheilbare Wunden.

Was ist passiert? Der FC Bayern hat gegen Schalke 04 gespielt, 1:1. Der Rekordmeister liegt nach zwölf Spielen, dem ersten Saisondrittel, auf Rang acht, sechs Punkte hinter Tabellenführer Bayer Leverkusen, dem nächsten Gast in der Münchner Arena. Das allein ist für den FC Bayern ein mittleres Desaster, vor allem angesichts der immensen Transfergeschäfte, die der Klub mit dem legendären Festgeldkonto vor dieser Saison getätigt hatte.

Auch ein neuer, zuweilen recht eigenwilliger Trainer ist an Bord, und der sagte zum Schalke-Spiel: "Wir hatten Möglichkeiten. Es fehlten aber immer zwei, drei oder fünf Zentimeter. Das muss sich ändern." Regelmäßige Besucher kennen diese Diktion schon seit einer Weile. An diesem Abend interessierte sich überhaupt niemand dafür.

"Wenn man sich mit Barcelona … messen will - dann braucht man als FC Bayern eine Spielphilosophie. Das muss auch das Ziel des Vereins sein … Ich glaube, in der Vergangenheit lief das mit den Transfers nicht immer glücklich. Sicher lag es auch daran, dass wir in den letzten Jahren verschiedene Trainer mit verschiedenen Vorstellungen hatten. Aber man muss auch ganz klar feststellen: Vereine wie Manchester oder Barcelona geben ein System vor - und dann kauft man Personal für dieses System. Man holt gezielt Spieler - und dann steht die Mannschaft … Wir haben zum Beispiel Arjen Robben geholt … Aber wir haben ihn nicht geholt, weil wir gesagt haben: Okay, wir spielen jetzt künftig im 4-3-3-System. So etwas gibt es bei uns nicht: dass der Verein etwas vorgibt und alles darauf aufgebaut wird." (Süddeutsche Zeitung vom Samstag)

Das Publikum wartete auf die Reaktion von Uli Hoeneß. Auf seine Reaktion auf Philipp Lahm. Der zweite Kapitän des FC Bayern nach Mark van Bommel hatte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung Tacheles geredet - vier Tage nach dem Champions-League-Debakel gegen Bordeaux, am Tag des richtungsweisenden Spiels gegen Titelkonkurrent Schalke 04.

Lahm hatte auf einer ganzen Zeitungsseite die Missstände bei seinem Arbeitgeber aufgezeigt, die Transferpolitik der vergangenen Jahren kritisiert, zum Ausdruck gebracht, dass er so etwas wie eine Linie, eine Philosophie bei seinem Verein vermisse. Lahm ist im Verein, seit er zwölf ist. Er ist einer der ganz wenigen Führungsspieler im Klub, dürfte nach Michael Ballacks nicht allzu ferner Demission in der Nationalelf der Kapitän der nächsten Jahre sein. Ein früh gereifter junger Mann von 26 Jahren, der sich für zahlreiche Hilfsorganisationen engagiert, schon vor Jahren eine Stiftung ins Leben rief, über den berühmten Tellerrand hinausblicken kann. Kurz: der Idealtyp des mündigen Sportlers.

Und was sagt Uli Hoeneß vor den Journalisten über Deutschlands einzigen Vertreter in der Kategorie Weltklasse? "Sie können sich sicher sein, dass er dieses Interview noch bedauern wird. Das war nicht klug." Und attackiert auch noch den Fußballer Lahm: "Bisher habe ich auch nichts darüber gesagt, ob er besser rechts oder links spielt. Aber die Meinung, dass er ein besserer rechter als ein linker Verteidiger ist, die hat er ziemlich exklusiv."

Hossa, was ist denn da los? In für seine Verhältnisse moderatem Ton schießt Hoeneß um sich wie ein selbst waidwund geschossenes Tier. Am 27. dieses Monats ist auf der Mitgliederversammlung die glorreiche Inthronisierung des Uli H. zum Präsidenten anberaumt - und jetzt diese Störfeuer! Einen Hauch von Götterdämmerung hat dieses Lahm-Interview hinterlassen, und Hoeneß weiß das.

Dass dieses Interview nicht den beim FC Bayern üblichen Gang über die Pressestelle ging, sondern direkt über Lahm und dessen Berater Roman Grill, einem ehemaligen Bayern-Spieler, später Bayern-Angestellten und noch später Fast-Sportdirektor beim Hamburger SV, all das ist noch mal eine eigene Geschichte, die Hoeneß zu folgenden bemerkenswerten Sätzen veranlasste: "Das Interview hätte auch heißen müssen: Ein nicht angenommener Sportdirektor beim HSV äußert sich. Ich dachte, der will ja auch mal wieder Spieler an uns verkaufen. Das war kein guter Nachmittag für Roman Grill. Das wird den beiden nicht gut bekommen. Grill meint ja, er hat die Weisheit mit Löffeln gefressen." Da hat wohl jemand eine gehörige Suppenbolle Unsouveränität abbekommen.

Seit gefühlten 700 Jahren führt Uli Hoeneß den FC Bayern München, Aufsichtsratsvorsitzender Beckenbauer hin, Vorstandsvorsitzender Rummenigge her - Hoeneß ist der Boss. Niemand hat sich bislang erdreistet, ihn auch nur annähernd infrage zu stellen. Bis nun eben Philipp Lahm. Hoeneß sagt, das Interview werde Konsequenzen haben. Und prompt erklärt Karl-Heinz Rummenigge: Lahm wird wegen seiner Aussagen "mit einer Geldstrafe belegt, wie es sie in dieser Höhe beim FC Bayern noch nicht gegeben hat". Auch Luca Toni, der das Team nach seiner Auswechslung verlassen hatte, muss blechen. Den FC Bayern ärgert man nicht ungestraft.

Einen Hauch von Götterdämmerung hat das Interview hinterlassen, Hoeneß weiß es

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