Kriminalität in El Salvador: Das Militär auf Verbrecherjagd

Der erste linke Präsident des Landes lässt die Armee gegen die wachsende Kriminalität vorgehen. In Mexiko hat eine ähnliche Strategie zu noch mehr Toten geführt.

Dank Präsident Mauricio Funes darf das El Salvadors Militär Menschen verhaften, die ihnen verdächtig vorkommen, und Autos und Häuser durchsuchen. Bild: dpa

Seit dem heutigen Freitag dürfen Soldaten in El Salvador wieder das, was ihnen seit dem Ende des Bürgerkriegs strikt verboten war: Sie dürfen Menschen verhaften, die ihnen verdächtig vorkommen, und Autos und Häuser durchsuchen. Ausgerechnet Mauricio Funes, der erste linke Präsident des Landes, hat das Militär dazu in dieser Woche ermächtigt. Seine Partei, die "Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí" (FMLN), hatte die früher allmächtige Armee in einem zwölfjährigen Bürgerkrieg als Guerilla bekämpft. Dass die Militärs am Ende des Kriegs dann entmachtet wurden, war der größte Erfolg des Friedensabkommens von Anfang 1992.

Dass Funes das Militär jetzt wieder für Aufgaben der inneren Sicherheit einsetzt, ist eine pure Verzweiflungstat angesichts der wachsenden Kriminalität. Die Zahl der Morde ist in diesem Jahr im Vergleich zum vergangenen um über 10 Prozent angestiegen. Bis Ende Oktober wurden in dem nur knapp über 6 Millionen Einwohner zählenden Land 3.673 Menschen umgebracht. Die Zahl der angezeigten Erpressungsfälle stieg noch rassanter an. Gut 90 Prozent dieser Straftaten werden nie aufgeklärt.

Ein großer Teil der Verbrechen werden den "Maras" genannten Jugendbanden angelastet, einer Altlast des Bürgerkriegs und der sozialen Verwerfungen. Die Gangs waren Mitte der Neunzigerjahre von Jugendlichen gegründet worden, die im Bürgerkrieg in Flüchtlingslagern und Armenvierteln aufgewachsen sind und oft nur ein oder zwei Jahre zur Schule gegangen waren. Auf dem ohnehin engen Arbeitsmarkt hatten sie keine Chance. Die ursprünglich kleinkriminellen Banden haben heute mehrere zehntausend Mitglieder, kontrollieren ganze Stadtteile, erpressen flächendeckend Schutzgeld und arbeiten eng mit den Drogenkartellen von Mexiko und Kolumbien zusammen.

Funes will die Soldaten in der Hauptstadt und in vier weiteren von der Kriminalität besonders geplagten Departements einsetzen. Zudem sollen sie Gefängnisse und Jugendstrafanstalten bewachen. Genaueres wollte der Präsident nicht sagen. "Wir können doch den Kriminellen nicht verraten, wann und wo das Militär eingreifen wird." Die Bürger sollten nicht mehr erfahren als unbedingt notwendig. Alles andere wäre "nicht klug". So schwieg sich der Präsident auch über die Zahl der für polizeiliche Aufgaben eingesetzten Soldaten aus. Nur so viel verriet er: Es werden nicht die 6.500 Mann sein, die ihm Verteidigungsminister General David Munguía Payés angeboten hat. Es werden aber, so Funes, "erheblich mehr" sein als die 1.300 Soldaten, die schon seit Jahren zusammen mit der Polizei auf Streife gehen. Allerdings waren die Soldaten in diesen Einheiten bloße Staffage ohne eigene Entscheidungs- und Handlungsbefugnis. Mehr hatten sich die rechten Vorgängerregierungen nicht getraut.

In einem halben Jahr will der Präsident vor dem Parlament Rechenschaft über Erfolg oder Misserfolg des Militäreinsatzes ablegen. Dann soll entschieden werden, wie es weitergeht. Verteidigungsminister Munguía Payés hat versprochen, die Zahl der Morde und Erpressungen bis dahin um 10 Prozent zu senken. In Mexiko hat das nicht geklappt. Dort warf Präsident Calderón 45.000 Soldaten in den Krieg gegen die Drogenmafias. Die Zahl der Ermordeten ist trotzdem weiter gestiegen. Und noch mehr - auf das Sechsfache - stieg die Zahl der Anzeigen gegen Soldaten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen: von 182 im Jahr 2006 auf 2.050 im Jahr 2008. Es geht dabei um Mord, Folter, Entführung und Erpressung - Delikte, für die die salvadorianische Armee in der Vergangenheit gefürchtet war.

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