Schwarz-Gelb betoniert Deutschland: Tausche Baum für Fabrik

Bisher müssen Bauherren für die Natur, die sie zerstören, andernorts Grün schaffen – die schwarz-gelbe Koalition ändert das. Umweltschützer halten die neue Regelung für "katastrophal".

Ausgleichende Gerechtigkeit für die Umwelt: Will Schwarz-Gelb lieber nicht. Bild: dpa

Eigentlich ist das Prinzip schlicht: Wer etwas kaputt gemacht hat, soll es auch wieder reparieren. Das galt bisher für Investoren, die eine Fabrik, ein Wohnhaus, eine Geflügelfarm gebaut haben. Für die Fläche X, die sie versiegelten, mussten sie auf der Fläche Y Natur schaffen. Doch diese Eingriffs-Ausgleichsregelung wollen Union und FDP nun ändern. Das steht in ihrem Regierungsprogramm, das sie Montag unterschrieben haben. So soll es einfacher werden, die Republik zu betonieren.

Dabei ist der Flächenverbrauch in Deutschland ohnehin schon enorm: Jeden Tag werden 120 Hektar Natur für Fabriken, Häuser, Straßen plattgemacht. Und die heutige CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte schon zu Zeiten, als sie noch in der Kohlregierung Umweltministerin war, erklärt, man müsse auf 30 Hektar runterkommen. Längst ist das so auch als Ziel festgelegt, und zwar in der Nachhaltigkeitsstrategie, zu der sich auch die neuen Koalitionäre in ihrem Vertrag bekennen.

Die Eingriffsregelung und damit eines der wichtigsten Instrumente des Naturschutzes umzubauen - das steht dazu im Widerspruch. Trotzdem heißt es im Kapitel Naturschutz: "Wir werden den Bundesländern die Kompetenz geben, beim Ausgleich von Eingriffen in die Natur das Ersatzgeld anderen Kompensationsmaßnahmen gleichzustellen".

Derzeit kann ein Bauherr für den Schaden, den er in der Umwelt anrichtet, nur im Ausnahmefall Geld als Ersatz zahlen. Ansonsten muss er für eine - wie das bürokratisch heißt - Realkompensation sorgen. Dazu gehören zum Beispiel so einfache Maßnahmen wie Bäume pflanzen. Wie viele Bäume es sein müssen, hängt dabei davon ab, wie wertvoll die Fläche aus Umweltsicht war, auf der beispielsweise die neue Fabrik stehen soll. Die Koalition ermöglicht es nun, den Ersatz von Schaden durch Geld zur Regel zu machen.

Jutta Kremer-Heye, Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums, hält das für eine "überzeugende" Idee. Das Land Niedersachsen kämpft seit langem für eine Reform der Eingriffsregelung, konnte sich damit aber offenbar erst jetzt durchsetzen. Kremer-Heye: "Für die Kommunen ist es schwierig, noch Flächen für den Ausgleich zu finden." Zum Beispiel gebe es an der Küste "Engpässe". Andere Länderministerien wollten sich am Montag nicht äußern, doch Niedersachsen wird von der neuen schwarz-gelben Klausel sofort Gebrauch machen.

Hubert Weiger, Chef des Umweltverbandes BUND, hält das für "katastrophal", für einen "ökologischen Ablasshandel". Er fürchtet, dass das Geld nicht für zusätzliche Naturschutzmaßnahmen ausgegeben wird, sondern schlicht in den Haushalt und damit in ohnehin bestehende Naturschutzaufgaben einfließt. Die Naturschutzbehörden seien unterfinanziert, erklärt der Umweltexperte. Für sie gebe es fortan Anreize, Investoren große Eingriffe zu erlauben, statt auf schonende Bebauung zu setzen - um Geld einzunehmen. Weiger: "Damit beginnt die Käuflichkeit des Naturschutzes."

HUBERT WEIGER, BUND-CHEF

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.