Überraschende Klimabilanz: Palmöl-Sprit schlimmer als Diesel

Ein Bericht des UN-Umweltprogramms zu Biosprit zeigt: Unterm Strich fällt dessen Klimabilanz oft schlechter aus als bei fossilen Energien. Insbesondere beim Palmöl.

Verheerende Ökobilanz: Palmölplantage auf Borneo, wo vorher Urwald war. Bild: taz

NAIROBI taz | Es klingt wie ein Umweltengel auf vier Rädern: Ein Auto, das Agrodiesel aus Palmöl im Tank hat, stößt 80 Prozent weniger CO2 aus als ein Wagen, der mit fossilem Diesel fährt. Bilanzen wie diese haben die Herstellung von Diesel aus Biomasse seit der Jahrtausendwende von weniger als 1 Milliarde auf 11 Milliarden Liter jährlich steigen lassen. Die Bioethanol-Produktion kletterte um das Dreifache auf 52 Milliarden Liter.

Doch ein Bericht, den der Internationale Rat für nachhaltige Ressourcennutzung vorlegt, zeichnet ein anderes Bild. Die mehr als zwanzig Ökologen mit dem Deutschen Ernst-Ulrich von Weizsäcker an der Spitze berufen sich auf Ökobilanzen des federführenden Wuppertal-Instituts, die auch die Entstehung des Biosprits berücksichtigen. Rechnet man ein, dass in Malaysia und Indonesien, die zusammen vier Fünftel des Weltmarkts für Palmöl abdecken, Regenwald großflächig abgeholzt wird, wird aus der Positiv- eine Negativbilanz.

Demnach werden bei der Herstellung von 1 Liter Agrodiesel aus Palmöl keineswegs weniger, sondern 800 Prozent mehr Treibhausgase als bei Diesel aus fossilen Rohstoffen ausgestoßen. Handelt es sich bei der freigelegten Landschaft um ein Hochmoor, das viel Kohlenstoff im Boden gebunden hat, können es auch 2.000 Prozent mehr sein. "Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen kann auch durch den Einsatz von Düngemitteln mehr Klimagase erzeugen, als sie später einsparen", setzt von Weizsäcker nach.

Ebenfalls bedenkliche Zahlen haben die Wissenschaftler für Bioethanol aus Mais und selbst aus dem so sehr gelobten Jatropha-Strauch ermittelt. Der Anbau und die Verwendung von Mais emittiert pro Liter insgesamt 5 Prozent mehr Treibhausgase in die Atmosphäre als fossiler Diesel. Das liegt unter anderem daran, dass zur Verflüssigung große Mengen Strom gebraucht werden. Jatropha ist nur dann klimafreundlich, wenn er auf brachliegenden und andernfalls unbrauchbaren Flächen gepflanzt wird. Wird etwa Buschland umgewidmet, wird die Bilanz negativ.

Bilanz von Zuckerrohr-Sprit positiv

Nur das in Brasilien aus Zuckerrohr gewonnene Ethanol sorgt für Emissionseinsparungen von über 100 Prozent. Dazu trägt unter anderem ein Zonierungssystem bei, das die Regierung zum Schutz von Naturflächen eingeführt hat.

Hoffnung setzen die Experten nun vor allem in die Kraftstoffe der zweiten und dritten Generation, für die nicht extra Land bebaut wird. Agrotreibstoffe aus landwirtschaftlichen Abfällen haben eine positive Ökobilanz.

Bis solche Lösungen gefunden sind, steht Unep-Chef Achim Steiner vor der Herausforderung, einen Naturraubbau zu verhindern. "Es ist wichtig, dass wir in Zukunft klar unterscheiden zwischen Biotreibstoffen, die das Klima und die Umwelt schützen, und solchen, die das nicht tun", sagt er und fordert globale Standards und einen Zertifizierungsmechanismus. "Wir müssen sicherstellen, dass Länder mit Nahrungsmitteldefizit nicht unbedingt zu den ersten Großproduzenten von Biokraftstoffen werden", warnt Steiner.

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