Skandal um Bundesbanker Sarrazin: Zentralrat der Juden fordert Rücktritt

Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden wirft Bundesbank-Vorstand Sarrazin wegen seiner abfälligen Äußerungen über Migranten Nähe zum Nationalsozialismus vor.

Der Zentralrat der Juden fordert weiterhin den Rücktritt von Sarrazin. Bild: dpa

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Debatte um die rassistischen Äußerungen von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin neu angefacht: Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, warf Sarrazin am Freitag Nähe zum Nationalsozialismus vor.

"Ich habe den Eindruck, dass Sarrazin mit seinen Äußerungen Göring, Goebbels und Hitler eine große Ehre macht", sagte Kramer in gewohnt pointierter Weise auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des Zentralrats mit der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD). "Er steht in geistiger Reihe mit diesen Herren." Die Äußerungen des ehemaligen Berliner Finanzsenators seien "perfide, infam, volksverhetzend und muslimfeindlich." TGD-Chaf Kenan Kolat forderte erneut den Rücktritt Sarrazins.

Kramer und Kolat reagierten damit auf ein Interview mit Sarrazin, das vor gut einer Woche in der Zeitschrift Lettre International erschienen ist - und seit dem für viel Wirbel sorgt. "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert", sagt Sarrazin unter anderem in dem Interview. Und: "Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate." Gefallen würde es ihm, "wenn es osteuropäische Juden wären, mit einem 15 Prozent höheren IQ als dem der deutschen Bevölkerung". Inzwischen hat Sarrazin sich für seine Wortwahl entschuldigt.

TGD-Chef Kolat reicht das nicht. Er hat Bundesbankpräsident Axel Weber nun in einem Brief um ein Gespräch gebeten, in dem er seiner Rücktrittsforderung Nachdruck verleihen will. Man könne es nicht mehr hinnehmen, dass solche Äußerungen mit beredtem Schweigen beantwortet würden, so Kolat. "Die Verbitterung und Enttäuschung ist bei uns sehr groß. Aber wir werden gegen Diskriminierung kämpfen bis zum Umfallen." Weber hatte versucht, Sarrazin von der Veröffentlichung abzuhalten, und sich direkt nach Erscheinen des Interviews ungewöhnlich deutlich von seinem Vorstandsmitglied distanziert.

Sarrazin selbst lehnte einen Rücktritt am Freitag erneut ab. Er werde am Montag wie üblich in seinem Bundesbank-Büro in Frankfurt arbeiten, wo ein Stapel von Akten auf ihn warte, sagte er nach einem Auftritt bei einem Kongress in Berlin. "Ich habe alles gesagt, was ich sagen wollte", sagte er und lehnte eine erneute Stellungnahme ab.

Kolat und Kramer räumten ein, dass es Probleme bei der Integration von Migranten gebe - bei jüdischen Einwanderern aus der Sowjetunion ebenso wie bei jenen aus der Türkei. Darüber werde seit langem diskutiert und vieles dagegen getan. "Aber Äußerungen wie die von Sarrazin helfen dabei nicht", sagte Kolat. "Sie führen nur dazu, dass sich engagierte Migranten vor den Kopf gestoßen fühlen und zurückziehen." Unterdessen prüft die Berliner Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen Sarrazin wegen Volksverhetzung.

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