Unternehmer Werner über FDP-Pläne: "Das Bürgergeld hilft, neu zu denken"

Götz Werner, Gründer der Drogeriekette dm, kämpft für ein Grundeinkommen. Aufgrund der FDP-Forderungen nach einem Bürgergeld hofft er auf eine neue Debatte.

"Wir werden künftig umdenken müssen: Götz Werner. Bild: dpa

taz: Herr Werner, in den Koalitionsverhandlungen fordert die FDP die Einführung eines Bürgergelds. Hat das etwas mit dem Grundeinkommen gemein, das Sie seit Jahren fordern?

Götz Werner: Das Bürgergeld kann helfen, in eine neue Denkrichtung zu kommen - auch wenn es noch nicht das ist, was ich mir am Ende vorstelle. Wir müssen gesellschaftlich neu überlegen, wie der einzelne zu seinem Einkommen gelangt.

Der Vorschlag hat einen Aufschrei der Sozialverbände provoziert. Sind 662 Euro zu wenig?

Das Bürgergeld, wie ich es verstehe, schließt andere Ansprüche nicht aus. Wem nach den Bestimmungen der Sozialhilfe ein höherer Betrag zusteht, der soll ihn auch weiterhin bekommen. Die übrigen 95 Prozent der Menschen müssten aber gar nicht mehr aufs Amt gehen. Das würde viele Menschen aus der Bredouille befreien, als Bittsteller aufzutreten. Außerdem würde es viel Geld sparen.

Es wäre Hartz IV für alle?

Was ist denn daran schlecht? Das ist doch eine begriffliche Frage. Wer sich in den unzulänglichen Verhältnissen etabliert hat, kann sich nichts Neues vorstellen. Das war schon so, als in England die Briefmarke eingeführt wurde. Damals befürchtete man eine Flut von Briefen und es hieß: Wir können die zusätzlichen Briefe gar nicht befördern.

Die FDP will das Bürgergeld allerdings kürzen, wenn jemand zumutbare Arbeit ablehnt.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre das Bürgergeld noch nicht, aber es wäre ein erster Schritt in diese Richtung. Wenn wir den Perspektivwechsel erst einmal vollzogen haben, dann werden sich die Einzelheiten auch noch auspendeln.

Kritiker sagen: Das Grundeinkommen ist eine gute Idee, aber es würde den Sozialstaat aus den Angeln heben.

Der Bismarcksche Sozialstaat ist 130 Jahre alt. Er baute darauf auf, dass die Leute eine stabile Erwerbsbiografie haben und mit 55 Jahren sterben. Beides ist nicht mehr der Fall. Wir werden künftig umdenken müssen.

Sie schlagen vor, das Grundeinkommen aus der Mehrwertsteuer zu finanzieren. Wie hoch müsste sie dann sein?

Wenn sie alle bisherigen Steuern und Beiträge ersetzt, dann müsste sie so hoch sein wie die Staatsquote.

50 Prozent?

Sicher. Und trotzdem wären wir ein Steuerparadies, weil niemand mehr Einkommensteuer bezahlt. Auch die Preise würden im Schnitt nicht steigen, weil die Lohnnebenkosten heute schon einkalkuliert sind. Es wäre ein System, das Initiative nicht behindert.

Mit konkreten Beschlüssen bei den Koalitionsverhandlungen rechnen Sie aber nicht?

Man wird ja immer überrascht. Wer hätte am 9. November 1989 gedacht, dass am selben Tag die Mauer fällt? Aber auch wenn sich Union und FDP jetzt nicht einigen, ist das Thema nicht erledigt.

Seit dem Skiunfall von Dieter Althaus hat die Arbeitsgruppe Grundeinkommen bei der CDU nicht mehr getagt.

Das ist ein Jammer, aber deshalb ist die Arbeit nicht umsonst. Die Währungsreform 1948 konnte nur deshalb stattfinden, weil Ludwig Erhard schon zehn Jahre vorher überlegt hat: Was machen wir, wenn das Dritte Reich zusammenbricht?

Erwarten Sie, dass der Sozialstaat bald zusammenbricht - auch wegen der Krise?

Der Mensch kann durch Einsicht lernen oder durch eine Katastrophe. Die Einsicht ist vernünftiger, manchmal braucht es die Katastrophe. Natürlich wünscht sich niemand eine Krise. Aber sie hilft, aus dem Weiterso herauszukommen.

INTERVIEW: RALPH BOLLMANN

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