Musikindustrie-Konferenz All2gethernow: Leben und leben lassen

Endlich eine sinnvolle Konferenz: Die "all2gethernow" intensivierte Debatten über die Zukunft der Musikbranche, Urheberrechte und Downloads.

Ein Plattenladen der Gegenwart: Internettauschbörse Kazaa. Bild: dpa

"Die Zukunft hat längst Einzug gehalten, aber der Wohlstand ist noch nicht gerecht verteilt", hat der US-Autor William Gibson einmal bilanziert. Gerechter ist die Verteilung, wenn man sich einen Song im MP3-Format kauft und finanziell daran beteiligt wird, jedes Mal, wenn noch jemand den gleichen Song erwirbt. Jedenfalls fließen die Erlöse aus der Musik an alle Käufer, vor allem aber auch an Künstler, wie die US-Band My First Earthquake, und nach Aussagen des Erfinders der Songanteile, Hannes Hesse, zu einem geringeren Teil auch an seine im kalifornischen Berkeley ansässige netzgestützte Plattform Popcuts.

Deren Präsentation im Rahmen der Konferenz "all2gethernow" fand an einem passenden Ort statt: Einst war die Berliner Münze die Geldprägeanstalt der DDR. Seit Einführung des Internets, heißt es, geht der Musikindustrie durch illegale Downloads immer mehr Geld verloren. In den Tagen der all2gethernow wurde das ansonsten leerstehende Gebäude mit Leben gefüllt. Das zweitägige "a2n"-Workshop-Camp fand dann am Freitag mit einer Abschlusskonferenz im Berliner Club Radialsystem seinen Höhepunkt. Daraus könnte was werden, hörte man Besucher sagen. Auch die Veranstalter äußerten sich optimistisch, dass es 2010 wieder eine all2gethernow-Veranstaltung geben wird, während, wie es hinter vorgehaltener Hand hieß, die Popkomm zu einer Verbrauchermesse umgestaltet werden soll.

Die all2gethernow war ins Leben gerufen worden, weil im Juni die Popkomm abgesagt wurde - angeblich aufgrund der Krise der Musikindustrie. Geschickt hatte man sich auf den Popkomm-Branchentermin draufgesetzt und in nur zehn Wochen fast 50 Workshops und Vorträge organisiert. Bekannte Namen, wie der Zukunftsforscher Gerd Leonhard, Labelmanager, Netzaktivisten, Musiker und Vertreter politischer Parteien, hatten sich angesagt.

Aber auch die Nobodys von der Schweizer Band The Bianca Story. Sie führten ihr Oeuvre als duales Vermarktungssystem vor: Eigene Songs haben sie zum kostenlosen Download auf ihrer Homepage zugänglich gemacht. Sie wurden aber auch, eingebaut in eine Stereoanlage in einem meterhohen begehbaren Würfelunikat, meistbietend von einer Kunstgalerie versteigert. Solche Aktionen muten eher symbolisch als massenwirksam an, dennoch wirken sie wohltuend gegen das ewige Industriewehklagen.

Gerd Leonhard forderte in seinem Vortrag "Music like water", Downloads komplett zu legalisieren. Illegale Downloader seien nicht die Bösen, so sagte selbst ein Branchenintimus, die Provider, die Tauschbörsenbetreiber müssten endlich zur Kasse gebeten werden. Demgegenüber wollte Malte Spitz aus dem Bundesvorstand der Grünen die in Frankreich bereits praktizierte "Three-Strikes-Regelung" als Ideallösung verkaufen, die nach dem dritten Verstoß Internetsperren fürs Runterladen nach sich zieht. Da sich das Mediennutzungsverhalten aber stark verändert habe, plädiere er zusätzlich für die Einführung einer Kulturflatrate. Diese wurde auch von dem Kultursoziologen Volker Grassmuck als "digitaler Wegezoll" favorisiert.

Auf der britischen Isle of Man, so Grassmuck, werde die Kulturflatrate bereits praktiziert, auch in Deutschland stünde man kurz vor der Verwirklichung. Den Vorwurf, die Flatrate würde zum Spielball zwischen Markt und Industriegeschehen, ließ er nicht gelten. Unter den 20 Millionen Bundesbürgern, die bereits an das Internetbreitband angeschlossen seien, würden etliche Musik digital nutzen. Ihre gesetzlich festgelegten Beiträge würden dazu beitragen, dass Musik weiterhin eine Wertschätzung erfahre.

Ob die Piratenpartei Musik als Kulturgut wertschätzt, ob sie überhaupt einen Kulturbegriff hat, konnten ihre Vertreter nicht erklärlich machen. Einer der Ihren, der Filmrechteanwalt Patrick Jacobshagen, forderte etwa dazu auf, das Urheberrecht zeitlich stark zu begrenzen und das Zitatrecht auszuweiten. Wer also sein Kreuz für die Piraten macht, muss sich darüber im Klaren sein, dass dann in Zukunft zum Beispiel Songs von Die Ärzte unbehelligt auf Nazidemos gespielt werden dürfen.

Daraus ist schon ersichtlich, dass nicht alle Lösungsansätze, die auf der a2n zur Sprache kamen, sinnvoll waren. Meist aber wurde konstruktiv, ja sogar selbstkritisch debattiert. So gab der langjährige A&R-Manager Stefan Herwig in einem Beitrag für das Panel "Werte 2.0 - Geistiges Eigentum vs. Netzkultur" zu bedenken, dass die Musikwirtschaft, anders als andere Industrien, es versäumt hätte, ihre Bilanzen zu veröffentlichen, was zu einem schlechten Image beigetragen habe. In einigen Vorträgen der a2n wurde dagegen sehr genau vorgerechnet. So berichtete Markus Lindner vom Berliner Plattenladen Oye Records über 20 Prozent Zuwachsraten, die sein Laden jedes Jahr erwirtschaftet. Und das, obwohl er mit seinem Angebot an Schallplatten ein totgesagtes Format bedient.

Auch wenn Oye Records durch das Internet an neue Kunden komme, sei der Face-to-Face-Kontakt mit ihnen das Allerwichtigste, so Lindner. Konsumenten würden von der Musikindustrie zu wenig nach ihren Bedürfnissen befragt. Beständig wird von von der Krise der Musikindustrie gesprochen, was mit dem durch das Netz durcheinander gepflügten Markt in Zusammenhang steht. Bei der all2gethernow wurde die Krise nicht totgeschwiegen, aber doch relativiert.

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