Nach Datenschutz-Demo in Berlin: Staatsanwalt ermittelt gegen Beamte

Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Polizisten wegen des Übergriffs auf der Datenschutz-Demo. Ein ärztliches Gutachten, das der taz vorliegt, stützt die Version des Demonstranten.

Szene aus dem Beweisfilm, kurz bevor Demonstrant H. von einem weiteren Polizisten brutal verprügelt wird. Bild: screenshot youtube

Wegen eines Polizeiübergriffs auf einen Demonstranten ermittelt seit Freitag die Berliner Staatsanwaltschaft. "Das Verfahren ist nun bei uns anhängig", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Freitag. Außerdem hat der Anwalt des Opfers Strafanzeige gegen die am Vorfall beteiligten Polizisten bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Die Anzeige liegt der taz vor.

In dem Papier wirft Strafverteidiger Johannes Eisenberg den beteiligten Polizisten vor, sich der gefährlichen, gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung schuldig gemacht zu haben. Außerdem hält Eisenberg den Beamten falsche Verdächtigung und die Verfolgung Unschuldiger vor.

Am vergangenen Sonnabend hatten Polizisten während einer weitgehend friedlichen Demonstration gegen Überwachung in Berlin anscheinend grundlos den 37-jährigen H. mehrfach ins Gesicht geschlagen und auch mit einem schmerzhaften Griff in die Nasenlöcher traktiert. Andere Demo-Teilnehmer filmten den Angriff und entsprechende Videos verbreiteten sich schnell im Internet. Die Aufnahmen zeigen auch einen zweiten Demonstranten mit blutigem Gesicht.

Bei der Demo von mehr als 10.000 Menschen gegen den "Überwachungswahn" ist die Polizei am vergangenen Samstag in Berlin gegen einzelne Teilnehmer mit Schlägen und Tritten vorgegangen. Nach einem auf dem Internetportal YouTube dazu veröffentlichten Video ermittelt die Polizei jetzt wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt in den eigenen Reihen.

Das Video zeigt, wie ein Radfahrer bei der Demonstration "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn" von einem Polizisten am Hemd gezogen und ins Gesicht geschlagen wird. Zu sehen ist ein Mann im blauen T-Shirt mit Rucksack und Fahrrad, der zunächst mit einem Polizisten spricht und dann etwas auf einen Zettel notiert. Dann geht der Mann weg, kommt aber nicht weit. Ein anderer Polizist hält ihn am T-Shirt fest und reißt ihn zurück. Dann schlägt ihm ein Polizist ins Gesicht. Ein weiterer Protestteilnehmer ist mit blutigem Gesicht zu sehen, offenbar wurde er ebenfalls geschlagen. Andere filmten den Angriff, und entsprechende Videos verbreiteten sich im Internet.

Gegen zwei Beamte hat bisher das Landeskriminalamt wegen Körperverletzung im Amt ermittelt. Außerdem haben die beteiligten Polizisten H. laut dem Berliner Polizeipräsidenten Dieter Glietsch wegen Widerstandes gegen Vollzugsbeamte angezeigt. Deshalb zeigte sie Eisenberg nun auch wegen falscher Verdächtigung an. In der Anzeige heißt es, das auf den Filmen sichtbare Geschehen vor und während des Übergriffs schließe Widerstandshandlungen aus. Allen Anschuldigungen geht nach Angabe des Sprechers der Staatsanwaltschaft nun die Abteilung 11 seiner Behörde nach.

Mit der Anzeige liegt nun zum ersten Mal eine Schilderung des Opfers vom Hergang der Ereignisse vor: H. kann sich laut seiner eigenen Darstellung in der Strafanzeige nach Schlägen gegen seinen Kopf nur bruchstückhaft an die Szene erinnern. Er wisse aber noch, dass er vor dem Angriff auf sich nach der Dienstnummer eines Beamten gefragt habe. Grund: Dieser und seine Kollegen hätten zuvor in Richtung von Demonstranten geschlagen.

Statt der Dienstnummer habe er nur die Rückennummer der beteiligten Einheit bekommen. Während er schrieb, hätten ihn Polizisten aufgefordert, von der Straße zu verschwinden, und auf den Bürgersteig gezeigt. Weil dort aber Polizisten standen und kein Durchkommen möglich gewesen sei, habe er sich in Richtung des anderen Bürgersteigs bewegt. Als H. dort ankam, wurde er von einem Polizisten zurückgezerrt und die Attacke begann. Geschlagen wurde er laut Eisenbergs Anzeige von dem Beamten, den er auch nach seiner Dienstnummer gefragt hat.

Der taz liegt ein ärztliches Gutachten vor, welches die Angaben von H. stützt. In dem Dokument beschreibt ein Rechtsmediziner der Berliner Charité am 14. 9. 2009 die sichtbaren Verletzungen des 37-Jährigen: "Die Unterlippe massiv geschwollen. […] Im Bereich des Übergangs von Lippenrot auf die Oberhaut am Kinn zeigt sich eine […] vernähte Hautverletzung. Die Lippenschleimhaut […] massiv geschwollen." Daneben schreibt der Arzt noch von mehreren Hautabschürfungen im Gesicht, Schmerzen in der Seite, im Nacken und in den Schultern. Der Mediziner kommt zu dem Schluss: "Die […] festgestellten Verletzungen sind Folge mehrfacher, einseitiger, stumpfer, äußerer Gewalteinwirkung und lassen sich zwanglos […] mit der von ihm berichteten Vorgeschichte vereinbaren."

Eisenberg macht in seiner Anzeige noch auf ein Detail aufmerksam, welches er auf den Filmen entdeckt hat: Obwohl es warm war, trägt der schlagende Beamte Handschuhe - bei seinen Kollegen ist das zumeist nicht der Fall. Der Anwalt fordert nun, zu untersuchen, ob der Polizist Quarzsandhandschuhe trug, die die Wirkung von Schlägen verstärken.

Mitarbeit: Richard Howen

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