Ex-Chefredakteur der Berliner Zeitung tot: Martin E. Süskind gestorben

Er reformierte die Berliner Zeitung und war dort zugleich widerwillig zum Sparen verdammt. Seine eigentliche Heimat blieb die SZ. Mit nur 65 Jahren erlag er einer schweren Krankheit.

"Süskind war ein Redakteur der alten Schule, wahrscheinlich einer der letzten dieser Art, den unser Haus hatte", so Kölner Stadtanzeiger-Verleger und Verlagschef Alfred Neven DuMont Bild: dpa

Als sie ihn Ende August vor acht Jahren bei der Berliner Zeitung feuerten, war er für niemanden zu sprechen - sondern saß bis zuletzt loyal in seinem Büro in einer der oberen Etagen am Berliner Alexanderplatz. Es sollte der letzten Chefredakteursposten für Martin E. Süskind sein, und sein unglücklichster dazu. Denn der Mann aus der Literatenfamilie - sein Vater war der Journalist und Schriftsteller W. E. Süskind, sein jüngerer Bruder Patrick hat mit "Das Parfüm" Weltruhm erlangt - war beim Hauptstadtblatt gegen seinen Willen und seine eigene Überzeugung in erster Linie zum Sparen verdammt. Während sein Vorgänger noch mit Millionen um sich werfen durfte, um das Blatt aus Berlin endlich zum überregionalen Titel zu machen, sollte Süskind zwar an diesem hehren Anspruch festhalten - allerdings ohne frische finanzielle Unterfütterung.

Dabei war für Süskind Qualität bei knappen Kassen nichts Unbekanntes - schließlich hatte er seine journalistische Karriere 1966 beim deutschen Dienst der Nachrichtenagentur UPI begonnen, aus der 1971 nach diversen Krisen der Deutsche Depeschen Dienst (ddp) entstand, zu dessen Gründungsredakteuren er gehörte. Süskinds wahre redaktionelle Heimat war und blieb aber die Süddeutsche Zeitung, für die er mit Unterbrechungen von 1973 als Parlamentskorrespondent und später Bonner Büroleiter tätig war. Dass er bei der Süddeutschen niemals Chefredakteur wurde, lag am Richtungsstreit zwischen den Gesellschaftern, die 1996 lieber den heutigen SZ-Chef Hans-Werner Kilz vom Spiegel nach München lotsten - die Redaktionsvertretung hatte sich zuvor für Süskind ausgesprochen. Der war konsequent - und ging.

Für zwei Jahre gab er ein Intermezzo beim Kölner Stadtanzeiger, der für seine Kragenweite doch etwas arg regional verankert war.

In Berlin angekommen reformierte Süskind wie schon sein Vorgänger Michael Maier das Blatt - zunächst mit Erfolg: Im harten Kampf mit dem Konkurrenten Tagesspiegel um die gefühlte Vormachtstellung in der Hauptstadt kurz nach dem Umzug des Bundestags stieg zunächst die Auflage der Berliner Zeitung leicht an, setzte bald danach aber wieder ihren Abwärtstrend fort. Der Tagesspiegel durfte munter weiter investieren, im Verlagshaus am Alexanderplatz wurde Süskind dagegen wider Willen zum Sparkommissar.

Die Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr, damals Eigentümerin des Blattes, hatten ohnehin die Lust am Tageszeitungsgeschäft verloren. Süskind, eher ein Mann der leisen Zwischentöne, begriff schon bald, dass er auf verlorenem Posten stand. In den hektisch-schrillen Berliner Politmedienbetrieb passte er ohnehin nicht. Doch seine Demontage zog sich über Wochen hin. Mit nüchternen Dankesworten, er habe das Blatt "im schwierigen Berliner Zeitungsmarkt mit großer Anerkennung zu steuern" verstanden, wurde er schließlich abserviert.

Danach wurde es still um den stets höflichen, zurückhaltenden politischen Kopf. Zwei Bücher, eine Johannes-Rau-Biografie und ein Sammelwerk über die BRD-Präsidenten seit 1949 folgten. Vor vier Jahren gelang Süskind ein kurzes Comeback ganz anderer Art: Für die ambitionierte ZDF-Serie "Kanzleramt" schrieb er gemeinsam mit dem Regisseur und Schauspieler Hans Christoph Blumenberg das Drehbuch. Doch trotz Star-Besetzung wurde aus dem Versuch, eine relevant-unterhaltende Politserie nach dem US-Vorbild "The West Wing" zu etablieren, ein Flopp.

Am Samstag ist Martin E. Süskind nun mit nur 65 Jahren nach langer schwerer Krankheit gestorben.

"Süskind war ein Redakteur der alten Schule, wahrscheinlich einer der letzten dieser Art, den unser Haus hatte", so Kölner Stadtanzeiger-Verleger und Verlagschef Alfred Neven DuMont: "Durch seine feine und distanzierte Art hatte er keine Feinde, sondern nur Kollegen, die seine höfliche Art schätzten." Süskinds Nachfolger bei der Berliner Zeitung wurde Uwe Vorkötter, der das Blatt auch heute wieder führt. Nach drei Verkäufen gehört es heute zu DuMont.

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