Exit-Poll-Skandal: Twitter plagt Bundeswahlleiter

Der Bundeswahlleiter hofft, dass sich das Thema Twitter bis zur Bundestagswahl erledigt haben wird. Dabei setzt er auf die Selbstverpflichtung der Forschungsinstitute.

Weiß nicht so richtig, was tun: Bundeswahlleiter Roderich Egeler. Bild: ap

BERLIN taz | Ratlosigkeit herrscht im Umgang mit dem Online-Dienstleister Twitter. Bei der Frage, wie die Wahlleitung bei der Bundestagswahl am 27. September verhindern möchte, dass Prognosen vor Schließung der Wahllokale um 18 Uhr übers Internet veröffentlicht werden, zeigt sich: Bundeswahlleiter Roderich Egeler weiß keinen adäquaten Umgang. Er gehe davon aus, dass es aufgrund der nun entfachten Diskussion eine besondere Sensibilisierung gebe und dies bei den Bundestagswahlen deswegen kein Thema mehr sein werde. Von zusätzlichen Restriktionen will er zunächst absehen.

Bei den Landtagswahlen am vergangenen Sonntag in Sachsen, Thüringen und im Saarland haben gleich mehrere Twitterer Ergebnisse von sogenannten Exit-Polls rund 90 Minuten vor Schließung der Wahllokale um 18 Uhr ins Netz gestellt. Bei Exit-Polls handelt es sich um Umfragen, die am Tag der Stimmabgaben erhoben werden. Damit die Wähler nicht beeinflusst werden können, ist die Vorabveröffentlichung von Umfrageergebnissen verboten, wie der Bundeswahlleiter am Dienstag erneut hervorhob. Es handele sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro belegt werden könne. Und Egeler machte klar: "Wenn auch bei der Bundestagswahl Ergebnisse von Exit-Polls vorab veröffentlicht werden sollten, wird der Bundeswahlleiter als zuständige Behörde ein entsprechendes Verfahren durchführen."

Egeler mahnte die Wahlforschungsinstitute, mit ihren Erkenntnissen "sehr restriktiv" umzugehen. Dies werde er auch in direkten Gesprächen mit den betreffenden Instituten deutlich machen. Zugleich machte seine Behörde deutlich, dass die "undichte Stelle" nicht bei den Wahlforschungsinstituten vermutet werde, wie ein Sprecher des Bundeswahlleiters mitteilte, sondern eher bei Politikern und den Medien. Das Wahlforschungsinstitut Infratest dimap versichert, dass es seine Umfrageergebnisse nur der ARD weitergebe.

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass die Zahlen auch vorzeitig bei Politikern und anderen Medien landen. Anscheinend hat sich auch der junge CDU-Politiker Patrick Rudolph aus dem sächsischen Radebeul nichts dabei gedacht, als er die Zahlen "zwitscherte". Unter anderem über seinen Twitter-Zugang waren die Zahlen am Sonntagnachmittag in Umlauf gebracht worden. Er selbst bestreitet dies. Der Gießener Politikwissenschaftler Christoph Bieber hält es für unwahrscheinlich, dass "wegen einer solchen Lappalie" der Zugang des CDU-Politikers gehackt wurde. Constanze Kurz vom Chaos Computer Club wiederum könne verstehen, warum Rudolph die Tat jetzt von sich weist: "Ich selbst hätte einen anonymen Namen gewählt." Das habe er offensichtlich nicht getan. "Mir wäre das auch peinlich", so Kurz. Die Ermittlungen halten an.

Das Wahlgezwitscher ist auch bei den Bundespolitikern angekommen. "Das schadet der Demokratie", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, dem Kölner Stadt-Anzeiger. Er befürchte, dass auf diesem Weg eine Wahl verfälscht werden könne. Bosbach fordert, dass die Demoskopen die Ergebnisse Politikern und Journalisten später zur Verfügung stellen. "Würde man den Zeitpunkt von 16 auf 17 Uhr verlegen, würden die Manipulationsmöglichkeiten erheblich reduziert." Der stellvertretende Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses, Carl-Christian Dressel (SPD), sagte im Deutschlandfunk: Nur im letzten Schritt komme infrage, dass Journalisten und Politiker vor 18 Uhr überhaupt keine Vorabinfos mehr erhalten.

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