Waldbrände in Griechenland: Brandstiftung wegen Bauland

Nach der neuen Katastrophe sitzt der Schock bei der Bevölkerung tief. Jeder weiß, dass Brandstiftung im Spiel ist - aus Interesse an Bauland. Der Staat macht dabei mit.

Brandstiftung? Feuer um Athen. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Schlimmste ist fürs Erste vorbei für Attika, aber noch Schlimmeres werden die kommenden Jahre bringen. Nördlich und östlich von der griechischen Hauptstadt Athen sind nicht nur 15.000 Hektar Wald- und Buschland abgebrannt, und zerstört wurden nicht nur Warenlager, Autos und Häuser. Zerstört wurden die Lungen Athens, die das Leben dort gerade noch erträglich machten.

Athen ist eine Betonwüste mit winzigen grünen Inseln. Umso wichtiger waren die bewaldeten Bergzüge im Norden und Osten, die dank sommerlicher Nordwinde ein wenig Kühlung bringen. Die Wälder des Parnitha im Norden brannten im August 2007 zu achtzig Prozent ab. Zwei Jahre später ist der Penteli an der Reihe, dessen Hänge den Athener Kessel nach Osten begrenzen. Das Mikroklima für eine Bevölkerung von mehr als drei Millionen Menschen wird damit unwiderruflich verändert. In Richtung der Hölle, die griechische Ökologen schon seit Jahren voraussagen.

Dabei war das Klima 2009 der Stadt noch gnädig. Ein regenreicher Winter und volle Speicherseen, aber auch das Ausbleiben einer längeren Hitzewelle sorgten für einen relativ angenehmen Sommer. Die attische Erde war keineswegs ausgedörrt wie die Jahre zuvor. Um so größer war der Schock, als die Athener die Feuerfront von Nordosten heranrücken sahen.

Der Schock sitzt so tief, dass vielen sogar die Lust vergeht, die Schuldfrage zu stellen. Das gilt auch für die Oppositionsparteien, die sich darauf beschränken, der Regierung Kostas Karamanlis mangelnde Koordination vorzuwerfen.

Das hat einen tieferen Grund, der nur in Zeitungskommentaren zur Sprache kommt. Die Athener haben ihre Katastrophe zum großen Teil selbst heraufbeschworen. Die Häuser in den "grünen Vororten" gerieten auch deshalb in die Brandfront, weil sie da gar nicht stehen sollten. Die Nobelvororte im Norden haben sich immer mehr in die "grünen Lungen" hineingefressen. Viele Villen wurden illegal in Waldzonen errichtet, ganze Siedlungen entstanden an Hängen, die durch Brandstiftung abgeforstet wurden.

Es ist ein Teufelskreis, den alle kennen, den aber niemand durchbricht: Das Klima in der Betonstadt macht Häuser im Grünen immer wertvoller. Deshalb der Drang nach Norden und Osten, und der Wunsch nach einem Zweithaus in Attika oder auf der Insel Euböa, der den Zersiedlungsprozess in alle Richtungen treibt. Und den Anreiz erhöht, neues Bauland in Zonen zu gewinnen, die eigentlich unter Schutz stehen.

Was der Großraum Athen seit Jahren erlebt, ist systematische Brandrodung im Interesse der Immobilienindustrie und ihrer Kunden. Und der Staat macht mit. Würde er nur 100 Waldvillen abreißen lassen, wäre der Trend gestoppt. Aber alle Regierungen machen das Gegenteil: Illegale Bauten, landesweit auf eine Million geschätzt, werden regelmäßig vor Wahlen "amnestiert".

Der staatliche Stromversorger DEI legt Leitungen zu Häusern, ohne nach der Baulizenz zu fragen. Vor zwei Wochen genehmigte das Oberste Gericht, dass das Verteidigungsministerium in einer geschützten Zone auf dem Athener Bergzug im Südosten - dem nur noch schütter bewaldeten Hymettos - 36 Ferienappartements für Offiziere errichten darf. Nach der Katastrophe 2007 wurde einem der am härtesten betroffenen Orte an der Westküste der Peloponnes gestattet, ein abgebranntes Waldgebiet mit einer touristischen Großanlage zu überbauen - als Entschädigung, wie es offiziell hieß.

In der Athener Zeitung Kathimerini fordert ein Kommentator, diesen "kranken und gefährlichen" Zustand zu beenden, den er auf die Allianz der "korrupten Politikern und ihrer gierigen Klienten" zurückführt. Doch wie diese Allianz aufzusprengen wäre, verrät der gute Mann leider nicht.

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