Äußerst fragwürdiger Artikel: Schwedens Regierung antisemitisch?

Israel fordert von Schwedens Regierung die Verurteilung eines Artikels über angeblichen Handel mit Organen getöteter Palästinenser. Die aber weigert sich.

Der Text des Anstoßes. Bild: aftonbladet/screenshot

Ein Artikel in einer schwedischen Zeitung hat zu einer tiefen diplomatischen Krise zwischen Israel und Schweden geführt. Premierminster Benjamin Netanjahu verlange eine offizielle Verurteilung dieses Artikels, berichtet die Tageszeitung Haaretz am Sonntag.

Eine entsprechende Erwartung hatte Israels Schweden-Botschafter Benny Dogan bereits am Freitag gegenüber dem Außenministerium geäußert. Schweden lehnt einen solchen Schritt mit Hinweis auf die Pressefreiheit ab. Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums nannte dies einen "bequemen Vorwand", den in diesem Text zum Ausdruck kommenden Antisemitismus nicht verurteilen zu müssen.

"Die Organe unserer Söhne werden geplündert." So hatte Schwedens auflagenstärkste Tageszeitung Aftonbladet am vergangenen Montag einen zweiseitigen Text auf den Kulturseiten betitelt. Der Autor Donald Boström knüpft darin an Untersuchungen gegen ein kriminelles Netzwerk an, das vor einem Monat im US-Bundesstaat New Jersey aufgeflogen war. Dabei soll es auch um illegalen Organhandel mit Verbindungen zu Israel gehen. Boström verbindet dies mit einem Vorfall, dessen Zeuge er selbst 1992 im Dorf Imatin im Westjordanland war.

Der 19-jährige Bilal Achmed Ghanem war im Ort von einer israelischen Militärpatrouille erschossen worden. Die Soldaten nahmen den Körper mit und brachten ihn fünf Tage später zu nächtlicher Stunde der Familie zurück. Boström dokumentierte damals mit seiner Kamera den Körper, den man obduziert hatte.

Und er verfolgte ein ähnliches Schicksal bei 69 von 133 Palästinensern, die in diesem Jahr getötet wurden. Er interviewte Eltern und Angehörige, die Israel vorwarfen, ihren Söhnen Organe entnommen zu haben. Boström macht diesen Vorwurf nicht. Doch der Artikel lässt die Frage, warum das Militär bei diesen Toten Obduktionen veranlasst haben sollte, vieldeutig im Raum stehen. Die Erklärung der Armee, man mache dies bei Erschießungen routinemäßig, wird in Frage gestellt.

In Israel waren die Reaktionen scharf. Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Yigal Palmor, sprach von "rassistischer Hysterie der schlimmsten Sorte". Stockholm geriet selbst ins Feuer der Kritik, nachdem eine Distanzierung, die die schwedische Botschafterin Elisabet Borsiin Bonnier auf der Webbseite der Botschaft veröffentlichte, von dort auf Veranlassung des Außenministeriums in Stockholm nach wenigen Stunden wieder verschwand. Bonnier hatte die "Bestürzung" Israels geteilt und erklärt, dass "die Botschaft sich in aller Deutlichkeit (von dem Artikel) distanziert".

Daraus konnte der Versuch einer Zensur und Einschränkung der Pressefreiheit herausgelesen werden. "Unsere Pressefreiheit gilt uneingeschränkt und ist nichts, wofür sich der Staat im Ausland zu entschuldigen hätte," kommentierte das konservative Svenska Dagbladet. Und Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt stellte klar, warum es keine Verurteilung eines Presseberichts geben könne: "Niemand kann von der schwedischen Regierung fordern, dass sie gegen die eigene Verfassung verstößt."

Der stellvertretende israelische Außenminister Danny Ajalon sprach dagegen von "reinem Antisemitismus, von dem ich auch die schwedische Regierung nicht freispreche". Die Regierung in Tel Aviv erwägt nun laut israelischer Medien einen für den 10. September geplanten Besuch des schwedischen Außenministers und derzeitigen EU-Ratspräsidenten Carl Bildt in Israel abzusagen. Haaretz zitiert den israelischen Finanzminister Juval Steinitz: "Wir müssen erwägen, jeden, der eine solche blutige Verleumdung nicht verurteilt, als unerwünscht anzusehen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.