Saarlands Ministerpräsident über Wahlkampf: "Lafontaine will sein Ego befriedigen"

Ministerpräsident Peter Müller (CDU) nennt sich konservativ und erklärt seinen Wahlkampf gegen Oskar Lafontaine. Ein Gespräch über Koalitionen, Gesäßgeografie und den Wahlkampfstreit übers Grillen.

"Ich grille und schwenke", verteidigt Peter Müller seine Fähigkeiten am Rost. Bild: reuters

taz: Herr Müller, bei der Wahl in zwei Wochen brauchen Sie sich um Ihre Zukunft nicht zu sorgen. Glaubt man Ihrem Widersacher Oskar Lafontaine, haben Sie eine Koalition mit FDP und Grünen fest verabredet.

Peter Müller: Ob FDP und Grüne etwas vereinbart haben, weiß ich nicht. Die CDU und ich waren daran jedenfalls nicht beteiligt.

Wenn es die einzige Alternative zu großer Koalition oder Rot-Rot ist, machen Sie es aber?

Leben: Geboren am 25. September 1955 in Illingen. Zog 1990 erstmals in den Landtag ein, wurde bald zum Gegenspieler Oskar Lafontaines. Gewann nach dessen Flucht 1999 die Landtagswahl.

Karriere: War 2005 in Merkels Schattenkabinett für Arbeit und Wirtschaft zuständig, musste jedoch für Edmund Stoiber verzichten. Als Stoiber seinerseits zurückzog, waren die Ressorts schon an CSU und SPD vergeben.

Zukunft: Muss sich nach der Landtagswahl in zwei Wochen wohl einen Koalitionspartner suchen - wenn er nicht von einem rot-roten Bündnis abgelöst wird.

Ich bin davon überzeugt, dass wir eine bürgerliche Mehrheit erreichen werden.

Unter Einschluss der Grünen?

In meiner Definition heißt bürgerlich: CDU und FDP.

Der Göttinger Politologe Franz Walter spricht gerne von den Grünen als Elitepartei, die den kleinen Leuten unter den CDU-Anhängern womöglich zu arriviert sei.

Die Grünen als Elitepartei, das gefällt mir - mit Blick auf die Wählerschaft! Die CDU muss Partei für alle Bevölkerungsgruppen und nicht nur für Eliten sein. Das schließt, wie Hamburg zeigt, Zusammenarbeit nicht grundsätzlich aus.

War das ein Bekenntnis zu Schwarz-Grün im Saarland?

Darüber denke ich nicht nach.

Lange Zeit haben Sie nur Wahlkampf gegen Oskar Lafontaine gemacht und geglaubt, die SPD könnten Sie ignorieren. War das eine Fehleinschätzung?

Man kann es auch so sehen: Bei den Wählern hat unser Hinweis gegriffen, dass Lafontaine für Vergangenheit steht. Anfangs sah es tatsächlich so aus, dass die Linke im Saarland 20 Prozent bekommen könnte. Davon ist sie mittlerweile weit entfernt.

Als Sie vor zehn Jahren Ministerpräsident wurden, hieß es anerkennend: Der machts wie Oskar. Gemeint war das Sticheln gegen die eigene Bundespartei, das Changieren zwischen links und rechts. Hat Lafontaine für das Amt des saarländischen Ministerpräsidenten ein Rollenmodell etabliert?

Zwischen uns liegen Welten.

Sie haben gerade gelacht bei dem Vergleich mit Lafontaine. Was amüsiert Sie so?

Oskar Lafontaine geht es nicht um die Sache. In Bund und Land versucht er, sein Ego zu befriedigen. So etwas ist mir fremd. Mir geht es um die Zukunft des Saarlandes.

Bevor Lafontaine 1985 die Wahl gewann, war das Saarland immer CDU-regiert. Hatten Sie damals das Gefühl: Da nimmt sich einer, was ihm nicht gehört?

Strukturell ist das Saarland nicht wirklich ein CDU-Land. Wir haben zwar den höchsten Katholikenanteil aller Bundesländer. Das war aber nur ein Vorteil, solange die Kirchenbindung noch politisch relevant war. Gleichzeitig haben wir historisch bedingt kaum klassisches Bürgertum, wenig Mittelstand, viel Industriearbeiterschaft. Der Grad gewerkschaftlicher Organisation ist doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.

Ist denn auch Peter Müller ein Gewerkschaftsmitglied?

Jawohl, förderndes Mitglied der Gewerkschaft der Polizei.

Warum der Polizei?

Weil Lafontaine als Ministerpräsident Polizeistellen reduziert und einen massiven Abbau der inneren Sicherheit betrieben hat. Da wollte ich Flagge zeigen.

Sie haben Lafontaine auch den Abbau von Lehrerstellen vorgeworfen. Da waren Sie nicht versucht, der linken Lehrergewerkschaft GEW beizutreten?

War ich nicht. Das Feld der inneren Sicherheit lag mir näher, auch weil ich früher Richter war.

Nun ist die Bildungspolitik auch bei Ihnen ein Thema, vor allem die überstürzte Verkürzung der Gymnasialzeit. In anderen Ländern gingen darüber schon Wahlen verloren.

Bei uns nicht. Die Behauptung, das achtjährige Gymnasium überfordere die Schüler, ist durch nichts belegt. Vor wenigen Monaten haben die ersten Absolventen ihr Abitur gemacht, zeitgleich mit den letzten Absolventen nach dem alten System. Beide hatten dieselben Prüfungsaufgaben. Ein Unterschied in den Noten ist nicht feststellbar.

Ist die Debatte über die verkürzte Schulzeit auch ein Symptom des Gefühls, mit dem ewigen Verändern und Reformieren müsse Schluss sein? Hat die Politik die Leute überfordert?

In einer Zeit raschen Wandels kann die Politik nicht Stillstand predigen. Man darf es mit den Reformen aber auch nicht übertreiben. Dabei denke ich weniger an die Bildungspolitik als vor allem ans Steuerrecht, das wir in den letzten Jahren so oft geändert haben, dass es selbst die Experten kaum noch überschauen.

Sie gelten zwar als liberaler Flügelmann, bezeichnen sich aber als einer der letzten Christdemokraten noch als konservativ.

Sicher bin ich konservativ.

Deshalb haben Sie auf dem letzten Parteitag einen Antrag durchgesetzt, Deutsch als Staatssprache im Grundgesetz zu verankern?

Zum Beispiel. Da ist es uns gelungen, eine Mehrheit herbeizuführen, was nicht jedem in der Parteiführung gefallen hat. Ich freue mich einfach, wenn wir als Deutsche bei der Leichtathletik-WM erfolgreich sind. Ich habe keine Lust, dabei ein schlechtes Gewissen zu haben.

Ist die Parteispitze um Angela Merkel zu liberal - wirtschafts- und gesellschaftspolitisch?

Ich habe oft genug gesagt, dass ich von politischer Gesäßgeografie nicht viel halte. Ich kann doch die Verstaatlichung von Unternehmen ablehnen und trotzdem der Meinung sein, dass der Markt klare Regeln braucht. Das Gleiche gilt für die Gesellschaftspolitik: Ich kann eine positive Einstellung zu den Traditionen meines Landes haben und trotzdem der Meinung sein, dass keine Form der Lebensgemeinschaft diskreditiert werden darf.

Sie haben gesagt, die CDU sei die Partei des dritten Weges zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Warum wollen Sie mit der FDP als Partei des Kapitalismus unbedingt koalieren, mit der Linken als Partei des Sozialismus aber auf keinen Fall?

Die FDP bezeichnet sich selbst als Partei der sozialen Marktwirtschaft, auch wenn sie das nicht immer einlöst. Das ist nicht meine politische Heimat, aber für ein zeitlich begrenztes Politikprojekt sind genügend Gemeinsamkeiten vorhanden. Das ist bei der Linken nicht der Fall.

Gemeinsam mit Ihrem Kollegen Jürgen Rüttgers haben Sie seinerzeit eine verlängerte Zahlung des Arbeitslosengelds für Ältere durchgesetzt, auch gegen den Widerstand der SPD. Welche Teile von Hartz IV sollen noch zurückgenommen werden?

Über das Schonvermögen müssen wir reden. Ich bin für eine Erhöhung des Freibetrags auf 700 Euro pro Jahr. Außerdem brauchen wir Regelsätze, die die Kosten eines warmen Schulessens für Kinder von Hartz-IV-Empfängern abdecken.

700 Euro Schonvermögen fordert bisher nur die Linkspartei.

Diese Forderung wird aus Kreisen der CDU-Arbeitnehmerschaft schon lange erhoben.

War Hartz IV im Kern falsch?

Hartz IV war im Kern richtig, wenn auch nicht in jedem Punkt richtig umgesetzt. Der Ansatz des Forderns und Förderns ist selbst in der Krise nicht falsch. So haben wir zum Beispiel die Arbeitslosigkeit Älterer im Saarland um zwei Drittel reduziert.

Sie haben im Saarland den Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau beschlossen. Linkspartei und SPD kritisieren diese Entscheidung, auch vor dem Hintergrund der Krise.

Auch die Linkspartei weiß, dass sie für einen Ausstieg aus dem Ausstieg erst einen Investor bräuchte. Den gibt es aber nicht. Das ist eine rein wahltaktisch bestimmte Position. Bei der SPD ist es noch widersprüchlicher, sie ist für den Bergbau und erklärt gleichzeitig, dass er zu Ende geht.

Sie sind stolz auf den Strukturwandel, als neue Schlüsselbranche feiern Sie nun die Autozulieferer. Haben Sie sich damit gleich die nächste Krisenbranche eingehandelt?

Wir haben bei den Autozulieferern 46.000 Arbeitsplätze. Bei Kohle und Stahl waren es früher dreimal mehr. Das ist überhaupt nicht zu vergleichen.

In einem Land mit nur 500.000 Erwerbstätigen ist es trotzdem noch sehr viel.

Klar. Aber ich bin sicher, dass Automobilarbeitsplätze Zukunft haben. Der Bedarf an Autos ist mit der Krise nicht verschwunden. Er wird nur wegen mangelhafter Kreditversorgung vorübergehend nicht befriedigt. In den USA oder in Ostasien beginnt sich das bereits zu ändern.

Bei uns wird das noch eine Weile dauern, weil der Markt durch die Abwrackprämie erst einmal gesättigt ist.

Das betrifft aber nur die Kleinwagen. Die Automobilindustrie an der Saar ist aber breit aufgestellt und bedient alle Segmente.

Firmen wie BMW und Mercedes leben noch von Reserven. Dort steht der Einbruch erst bevor.

Wer überzeugende technische Lösungen bietet, hat im Segment weiter eine Chance.

In vielem ist das Saarland Schlusslicht, zum Beispiel bei der Lebenserwartung. Den Rekord hält es nur bei der Zahl der Ehescheidungen.

Bei der Lebenserwartung stimmt das nur für die alten Bundesländer. Das ist Teil der industriellen Hinterlassenschaft. Die Lungenkrankheit Silikose war unter Bergleuten eine Volkskrankheit. Andererseits haben wir die höchste Eigenheimquote der Republik und die höchste Dichte an Michelin-Sternen.

Seit Ihnen neulich ein Gasgrill explodiert ist, wirft Ihnen SPD-Chef Heiko Maas mangelnde Kenntnis des saarländischen Volkssports vor - des Schwenkens, wie das Grillen hierzulande heißt.

Das ist die Ratlosigkeit einer Opposition, die in der Sachpolitik keine Angriffspunkte findet. Ich grille und schwenke. Am 27. August gibt es ein Demonstrationsgrillen gemeinsam mit dem saarländischen Grillweltmeister Thomas Zapp aus Ballweiler. Der sagt auch klar und deutlich: Wenns drauf ankommt - Peter Müller.

Haben Sie auch Herrn Lauterbach schon eingeladen?

Welchen Lauterbach?

Karl Lauterbach, den SPD-Experten für gesundes Grillen.

Schön, dass die SPD wenigstens fürs Grillen einen Experten hat.

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