Skandal um hessische Steuerfahnder: Kampf um die Ehre

Vier Steuerfahnder, die in Pension geschickt wurden, verklagen einen Ministeriumssprecher. Sie wehren sich gegen den Vorwurf paranoid zu sein.

Vier ehemaligen Steuerfahnder vom Frankfurter Finanzamt kämpfen um ihre Rehabilitation. Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN taz | Nur vorläufig letzter Akt im Skandal um die vier Frankfurter Steuerfahnder, die seit fast zehn Jahren beharrlich um ihre Rehabilitation kämpfen: Anfang August erstatteten sie Strafanzeige gegen den Pressesprecher des hessischen Finanzministers Karlheinz Weimar (CDU) , Michael Scheerer. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt.

Das Drama begann 1996 mit einer furiosen Ruhmesgeschichte und grosser öffentlicher Anteilnahme. Fernsehsender waren dabei, als das Frankfurter Finanzamt V eine spektakuläre Durchsuchung in der Vorstandsetage der Commerzbank veranlasste und kistenweise Akten beschlagnahmte. Es beschuldigte das Geldinstitut, reichen Kunden geholfen zu haben, ihr Geld an der Steuer vorbei illegal auf Auslandskonten zu verschieben. Ein Novum in der Geschichte der Steuerfahnder und ein voller Erfolg: Der Fiskus bekam bundesweit rund eine Milliarde Euro von säumigen Zahlern zurück.

Im Jahr 2001 entzog eine Umstrukturierung der Behörde dem Dreamteam die Basis. Dass diese zeitgleich mit der Landtagswahl und dem Amtsantritt der neuen CDU-FDP-Regierung stattfand, gab Anlass zu Spekulationen, die Fahnder seien nicht mehr wohlgelitten, denn die Politik wolle in Hessen eine Steueroase schaffen.

Ein Erlass des Frankfurter Finanzamtsleiters jedenfalls beschied 2001, dass wegen Personalknappheit künftig nur noch gegen Steuersünder ermittelt werden solle, bei denen ein Anfangsverdacht wegen Auslandstransfers im Volumen über 500.000 oder Einzelüberweisungen über 300.000 Euro vorläge. Gestückelte Transfers, ein übliches Prozedere bei Steuerhinterziehung, wären dann gar nicht mehr beachtet worden.

Die Steuerfahnder fühlten sich gemobbt und opponierten. Amtsrat Rudolf Schmenger (48) wehrte sich vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich gegen disziplinarische Massnahmen und Schikanen. 2003 wurde er erst zwangsversetzt, dann zusammen mit drei jüngeren Kollegen auf Lebenszeit in den vorzeitigen Ruhestand geschickt.

Im Amtsauftrag erstellte der Psychiater und Neurologe Thomas H. ein Gutachten. Er diagnostizierte bei den vier geschassten Steuerfahndern fast wortgleich notorisches Querulantentum und Paranoia. Die Steuerfahnder klagten, im Landtag tagte ein Untersuchungsausschuss über zwei Jahre ohne Ergebnis. Frankfurter Staatsanwaltschaft und Ärztekammer griffen den Fall im Sommer 2009 wieder auf und ermitteln nun gegen H. wegen Verdachts der Ausstellung falscher Gesundheitszeugnisse.

SPD und Linkspartei nutzten den Vorwahlkampf zu neuen, umfänglichen Anfragen an Finanz- und Justizministerium. Diese erklärten immer wieder, sie seien zum einen nicht zuständig für die psychiatrischen Gutachten, hätten sie weder in Auftrag gegeben noch gar beeinflusst. Doch die Nerven lagen blank. Sprecher Scheerer klagte über die "Kampagne". Gegenüber einer Fachzeitung soll ihm herausgerutscht sein, die opponierenden Steuerfahnder litten wohl an "Verfolgungswahn". Die erstatteten Strafanzeige. Scheerer bestreitet den Vorwurf.

Inzwischen werden die Töne harscher. Die CDU kritisierte, dass die Opposition "mit ihrer Hetz- und Schmähkampagne das Maß des politischen Anstands verloren" habe.

Rudolf Schmenger (48) arbeitet wieder als Steuerberater, kerngesund, wie ihm Gegengutachten bestätigten. Er und sein Exkollege Frank Wehrheim (59) erhielten im Frühjahr 2009 den Wistleblower-Preis der von Carl-Friedrich von Weizsäcker mitbegründeten Vereinigung von Wissenschaftlern und Juristen. Sie hätten, so die Laudatio, als Insider entscheidend dazu beigetragen, einen staatlichen Bereich mit seinen Missständen dem Einblick der kritischen Öffentlichkeit zu öffnen.

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