Politik 2.0: Roter Iro, nix dahinter

Sascha Lobo soll die SPD für Online-Freaks interessant machen - es gelingt ihm kaum.

Markenzeichen roter Hahnenkamm: Sascha Lobo in seinem Element – dem Internet. Bild: screenshot/saschalobo.com

Politik funktioniert im Großen und Ganzen wie folgt: Es gibt eine gesellschaftliche Sorge, dann kümmert sich eine Bewegung darum, Medien berichten, und am Ende gucken die Parteien doof und versuchen, irgendwie auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Das letzte Beispiel: Die Sorge um Internetrechte und Datenschutz. Alle Parteien wissen seit dem Erfolg der Piraten: Für die Bundestagswahl braucht man auch einen Internetfreak.

Schwierig, mit dem vorhandenen Personal zu schaffen. Wolfgang Bosbach mit Piratenklappe? Funktioniert nicht. Münte vor einem beklebten Laptop und im ranzigen T-Shirt? Nein, da muss ein anderes Symbol her - und die Sozialdemokraten haben es: Sascha Lobo, schnauzbärtiger Irokesen-PC-Nerd aus Berlin. Seit die Computergeneration als Wähler entdeckt wurde, ist auch Sascha Lobo auf einmal für die SPD zur wichtigen Figur geworden. Man fragt sich lediglich: warum?

An der beruflichen Karriere von Sascha Lobo kann es eigentlich nicht liegen. Im Sommer 2000 eröffnete er eine New-Economy-Werbeagentur, die nach anderthalb mäßig erfolgreichen Jahren Konkurs anmelden musste. Dann jobte Lobo mal hier, mal dort und widmete sich seiner eigentlichen Lieblingstätgkeit: dem Bloggen. 2005 folgte der Grimme Online Award für den Blog "Riesenmaschine" und ein Jahr später ein Buch, in dem er über Latte macchiato trinkende Dauerchiller ohne festen Arbeitsvertrag sinnierte. Natürlich ohne sich, Bewohner des Berliner Szenebezirks Mitte, damit selbst zu charakterisieren.

Egal, die Marke Lobo war geboren und ist jetzt vielleicht das Gesicht der SPD im Online-Wahlkampf 2009. Lobo sitzt schon seit 2007 im Online-Beirat. Der Beirat ist ein Gremium ohne besonders weitreichende Kompetenzen, in dem sich ein paar Symbolkämpfer aus der Internetszene versammeln. Die bisher aufsehenerregendste Aktion dieser Gruppe war es, das Netzsperrengesetz abzulehnen. Neben der Tätigkeit im Beirat twittert Lobo so erfolgreich wie kaum jemand anderer im deutschsprachigen Raum, über 15.000 Leute folgen seinen Ergüssen auf 140 Zeichen. Der politische Inhalt seiner Texte ist dabei zweitrangig. Denn der Marktwert von Sascha Lobo ist im allgemeinen Online-Hype gestiegen.

Für ihn haben sich dadurch auch abseits der SPD neue Möglichkeiten der Vermarktung ergeben. Der 34-Jährige wurde doch noch zum erfolgreichen Geschäftsmann und erhielt einen Werbevertrag mit dem Telekommunikationsriesen Vodafone. Dabei übersah Lobo offenbar, dass sich der Konzern für das Internetsperrengesetz ausgesprochen hatte, das Lobo vor allem mit moralischen Argumenten wortreich bekämpft hatte. Entsprechende Kritik gab es aus der Bloggerszene.

Als wäre dies nicht genug, gilt auch die Werbekampagne als gefloppt. Denn die, die Lobo aus dem Netz kennen, finden sie peinlich. Und die anderen erkennen den Typen mit dem roten Iro einfach nicht. Bleibt Lobo also nach diesem erneuten kommerziellen Misserfolg der Rückzug in den Parteiauftrag. Vielleicht gewinnt Lobo ja ein paar Stimmen für die SPD. Oder man geht gemeinsam unter.

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