Gesetz zu Internetsperren: Zensurgegner hoffen auf Köhler

Kritiker von Internetsperren fordern Bundespräsident Köhler auf, das vom Parlament verabschiedete Gesetz nicht zu unterzeichnen. Ihr Argument: Der Bundestag war gar nicht zuständig.

Kann die roten Internet-Stoppschilder noch stoppen: Bundespräsident Horst Köhler. Bild: dpa

FREIBURG taz | Das Gesetz gegen Internetsperren bleibt heftig umstritten. Die im AK Zensur zusammengeschlossenen Gegner fordern den Bundespräsidenten auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. Der Piraten-Abgeordnete Jörg Tauss hat bereits Verfassungsklage eingereicht. Weitere Klagen werden folgen.

Mitte Juni hatte der Bundestag gegen die Stimmen von FDP, Grünen und Linken das "Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Telekommunikationsnetzen" beschlossen. Es sieht vor, dass das Bundeskriminalamt (BKA) täglich eine Liste der zu sperrenden Seiten zusammenstellt und die Internetfirmen dies für ihre Kunden binnen sechs Stunden umsetzen. Wer als Internetsurfer versucht, eine gesperrte Seite aufzurufen, wird dann zu einer erläuternden Stoppseite weitergeleitet.

Der Bundesrat hat das Gesetz Anfang Juli ohne Abstimmung durchgewunken. Kein Land hatte auch nur den Antrag gestellt, den Vermittlungsausschuss anzurufen - auch nicht die Länder, die von FDP, Grünen oder Linken mitregiert werden. Das Gesetz ist dennoch bisher nicht in Kraft getreten, weil Bundespräsident Horst Köhler (CDU) es noch nicht unterzeichnet hat.

Der AK Zensur hat ihn nachdrücklich aufgefordert, dies nicht zu tun, weil das Gesetz "offenkundig und zweifelsfrei nicht verfassungskonform" ist. Grundrechte seien verletzt, weil das Gesetz nicht geeignet, nicht erforderlich und auch nicht verhältnismäßig sei, wie Anwalt Thomas Stadler erläutert.

Der vielleicht erfolgversprechendste Punkt ist aber formaler Natur: Der AK Zensur macht geltend, dass der Bundestag das Gesetz gar nicht hätte beschließen können, weil die Länder für Gefahrenabwehr zuständig sind. Der Bundestag rechnet die Regelung dagegen dem "Recht der Wirtschaft" zu, für das eine Bundeskompetenz besteht. Bundespräsident Köhler hat schon mehrfach Gesetze aus formalen Gründen nicht unterzeichnet.

Für den AK Zensur bereitet ein Team von Anwälten auch Verfassungsbeschwerden vor. Klagen sollen Internetnutzer und Provider. Der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss, der von der SPD zur Piratenpartei übergetreten ist, hat Anfang Juli bereits Verfassungsklage erhoben. Er sieht seine Rechte als Abgeordneter verletzt, weil die große Koalition die Internetsperren nicht - wie zunächst geplant - im Telemediengesetz, sondern in einem neuen Gesetz geregelt hat.

Das neue Gesetz sei nach Vorlage sofort - ohne Anhörung und ausreichende Beratung - verabschiedet worden. Tauss habe deshalb zu wenig Zeit gehabt, "sich im parlamentarischen Verfahren in gehöriger Weise einzubringen". Auch die FDP-Bundestagsfraktion prüft, ob sie das Verfassungsgericht anrufen soll.

Sollte Köhler das Gesetz unterschreiben, tritt es am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Das BKA wird dann sofort tägliche Sperrlisten vorlegen, wie eine Sprecherin auf Anfrage der taz mitteilte.

Das auf Druck der Kritiker beschlossene fünfköpfige Kontrollgremium fehlt allerdings noch. Es soll stichprobenartig prüfen, ob wirklich nur Kinderpornografie auf der Sperrliste steht. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, der das Gremium berufen soll, steht noch "am Anfang der Arbeit", wie seine Sprecherin auf Nachfrage erklärte.

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