Prozess gegen Jihadisten in Koblenz: Indizien und Folterprotokolle

Im Jihadisten-Prozess in Koblenz wird für Montag ein Urteil erwartet. Der Staatsanwalt fordert für den angeblichen Al Qaida-Unterstützer acht Jahr Haft. Doch die Beweislage ist dünn.

Aleem N. hofft vor dem OLG Koblenz auf einen Freispruch. Bild: dpa

KOBLENZ taz | Vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz muss sich seit Dezember des vergangenen Jahres der 46-jährige Aleem N. verantworten. Die Anklage gegen den Deutschen aus Germersheim mit pakistanischer Abstammung lautet auf mitgliedschaftliche Unterstützung des Terrornetzwerkes Al Qaida.

Ihm wird vorgeworfen, gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch Spendensammeln, Rekrutierung von Kämpfern und Beschaffung von militärisch nutzbaren Geräten verstoßen zu haben. Nach mehr als 40 Verhandlungstagen und 30 Zeugenvernehmungen geht am Montag der Mammutprozess zu Ende.

Der strenggläubige Moslem Aleem N. lebt seit 1987 in Deutschland und ist mit einer Deutschen verheiratet, die zum Islam konvertiert ist. Die Bundesanwaltschaft hält ihn für einen Rekruteur, Spendensammler und Beschaffer der Al Qaida in Pakistan. Er soll mehr als 100.000 Euro geschmuggelt und militärisch Verwendbares wie etliche Nachtsichtgeräte, Ferngläser, Entfernungsmesser, Zielvorrichtungen, zwei Schutzwesten sowie Richtmikrofone und Wanzendetektoren für die Terrororganisation beschafft haben.

Vier Personen soll er in Ausbildungslager von Al Qaida und der Islamischen Jihad Union vermittelt haben: Drei von ihnen, Ömer Ö. und Sermet I. aus Sindelfingen, sowie Tolga D. befinden sich in U- Haft. Bekkay H. aus Bonn wird gesucht und gegen einen Verdächtigen aus Bremen wird noch ermittelt. Die Inhaftierten werden in diesem Herbst 2009 ebenfalls vor dem OLG Koblenz angeklagt.

Im Frühjahr 2007 war Aleem N. vom pakistanischen Geheimdienst ISI verhaftet, verhört und gefoltert worden. Die Protokolle der Folterverhöre, die die Bundesanwaltschaft vom ISI bekommen hat, waren offizielle Grundlage der Ermittlungen. Die Koblenzer Richter stellten deshalb klar, dass diese Protokolle nicht vor Gericht verwerten werden dürfen. Dennoch wurden zum Beispiel Namen daraus vom Gericht in Zeugenvernehmungen abgefragt.

N. gilt seit längerem als Gefährder, da er nach dem 11. September 2001 - als damaliger Zeitarbeiter im Kernforschungszentrum Karlsruhe - gegenüber seinen Arbeitskollegen sich unverhohlen über den Anschlag auf die World Trade Center in New York freute.

Hauptbelastungszeuge war der 21-jährige Stiefsohn des Angeklagten, Ubaid N., den das Gericht zu Prozessbeginn vier Tage lang befragte. Ubaid zufolge soll sein Stiefvater früher Werber für die pakistanische Untergrund-Organisation Lashkar e Taiba (LeT) gewesen sein. Aufgrund interner Streitigkeiten habe er sich von ihr abgewandt. Die Anklage stützt sich auf die Aussagen des Stiefsohnes, gegen den selbst ein Ermittlungsverfahren wegen Mittäterschaft läuft, sowie auf Indizien aus Hausdurchsuchungen und Abhörprotokollen.

Bundesanwalt Vogler forderte in der vergangenen Woche acht Jahre Freiheitsstrafe. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch. Sie sieht die Aussagen des Stiefsohns als Racheakt an einem gewalttätigen Stiefvater und Aleems Haltung zu den Anschlägen vom 11. September sei vor dem Hintergrund der Politik der USA und des Westens gegenüber den Muslimen verständlich. Schließlich sei der Besitz von Propagandamaterial allein nicht strafbar.

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