Lizenz zum Abzocken: Teure Trickserei beim Stromnetz

Eine Netzregelung sorgt dafür, dass die großen Energiekonzerne in Deutschland Stromkunden jährlich 500 Millionen Euro zusätzlich abluchsen.

Nicht nur der Zähler zählt: Energiekonzerne sind bei ihrer Suche nach Einnahmequellen erfinderisch. Bild: dpa

FREIBURG tazAn den Pumpspeicherkraftwerken der Schluchseewerk AG im Südschwarzwald geschieht mitunter Merkwürdiges: Dann befördert auf der einen Seite der Maschinenhalle eine elektrisch betriebene Pumpe Wasser in einen höher gelegenen Stausee, weil es im Netz gerade einen Überschuss an Strom gibt, den es zu nutzen gilt. Zeitgleich erzeugt in derselben Halle ein anderer Maschinensatz weiteren Strom, indem das Wasser wieder zurückfließt und eine Turbine antreibt. Energetisch betrachtet ist das reichlich absurd, denn man kriegt nur rund 70 Prozent des Stroms wieder zurück, den man beim Pumpen verbraucht hat. Und doch hat das Ganze einen handfesten Grund: Die Schluchseewerk AG gehört zur Hälfte RWE und zur anderen Hälfte dem EnBW-Konzern. Und die machen mit dieser Praxis richtig Geld.

So funktioniert es: Jeder Konzern steuert seine Maschinen autark. Und dabei passiert es nicht selten, dass einer der beiden Konzerne die Pumpen anwirft, weil er einen Überschuss an Strom in seinem Netz hat, während zeitgleich der andere Konzern wegen Strommangels die Turbinen laufen lässt. Sehr viel sinnvoller wäre es nun, die Konzerne würden sich stattdessen gegenseitig überschüssigen Strom verkaufen. Aber das tun sie ungern, weil sie mit dem Ausgleichsstrom gutes Geld verdienen. Sie können die Kosten dieser Pumpspielereien nämlich über die Netzgebühren einfach den Stromkunden in Rechnung stellen - inklusive eines Aufschlags für die eigene Rendite.

Möglich ist das, weil das deutsche Stromnetz historisch in vier Regelzonen aufgeteilt ist, in denen RWE, Eon, Vattenfall und EnBW jeweils eigenständig agieren. Was im Nachbarnetz gerade passiert, interessiert sie nicht. Und so regeln sie ihre Netze munter gegeneinander.

Und immer bezahlt dafür der Stromkunde. Der Bundesverband Neuer Energieanbieter (bne) hat die Zahlen exemplarisch für das Jahr 2007 ermittelt: Danach wäre der Bedarf an sogenannter Ausgleichsenergie im Schnitt um 30 Prozent niedriger, wenn es in Deutschland eine einheitliche Regelzone geben würde. Die Verbraucher hätten dann 494 Millionen Euro weniger bezahlt.

Der bne und der Ökostromanbieter Lichtblick haben deshalb schon vor gut einem Jahr bei der Bundesnetzagentur einen Missbrauchsantrag gegen die Stromkonzerne eingereicht. Seitdem ist ein wenig Bewegung in die Sache gekommen: "Wir rechnen mit einem Ergebnis im Herbst", sagt Robert Busch, Geschäftsführer des bne.

Die Bundesnetzagentur selbst hält sich mit Terminaussagen zurück, verweist aber darauf, dass bereits ein Festlegungsverfahren eingeleitet wurde mit dem Ziel, den Bedarf an Regelenergie zu senken. Auch die Aufsichtsbehörde spricht von vermeidbaren "Kosten in dreistelliger Millionenhöhe". Sie sieht sich in der Pflicht, "alle Anstrengungen zu unternehmen", diese Kosten zu eliminieren.

Aktuell arbeiten die TU Dortmund und das Beratungsunternehmen E-Bridge Consulting in Bonn im Auftrag der Netzagentur an einem entsprechenden Gutachten. Nach dessen Fertigstellung soll über das weitere Vorgehen entschieden werden.

Immerhin haben unter dem Druck der freien Stromanbieter inzwischen drei der vier Konzerne zugesagt, bei der Netzregelung stärker zu kooperieren. Man habe eine "Optimierungslogik" in Betrieb genommen, die das Gegeneinander-Regeln bei den Pumpspeicherkraftwerken vermeiden soll, teilen Eon, EnBW und Vattenfall gleichlautend mit - nur die Essener RWE ist noch außen vor. Doch bislang gilt die Erklärung in der Branche nur als eine wachsweiche und wenig transparente Zusage, deren Einsparung für die Stromkunden nicht abschätzbar ist.

Dass sich klare Verhältnisse bei der Netzregelung auch ganz kurzfristig schaffen ließen, davon ist Gero Lücking, Sprecher des Ökostromanbieters Lichtblick, überzeugt. Er erklärt, die Einführung einer einheitlichen Regelzone in Deutschland sei bereits zum 1. Januar 2010 möglich.

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