Bundestag beschließt Internetsperren: Gesetz gegen "Zufallsnutzer"

Der Bundestag hat das umstrittene Gesetz gegen Kinderpornoseiten beschlossen. Neben der Opposition stimmten nur drei SPDler und ein Christdemokrat gegen das Projekt.

Künftig wird hier auf dem Monitor ein Stopp-Schild erscheinen müssen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Abstimmung war eindeutig. Mit den Stimmen der großen Koalition hat der Bundestag Donnerstag abend die Einführung von Internetsperren für Kinderporno-Seiten beschlossen. Die Opposition aus FDP, Linken und Grünen stimmte dagegen.

Die von Familienministerin von der Leyen (CDU) angestoßene Regelung sieht vor, dass Internetfirmen künftig den Zugang zu ausländischen Kinderporno-Seiten erschweren müssen. Das Bundeskriminalamt (BKA) soll täglich eine Liste der zu sperrenden Seiten zusammenstellen. Wer als Internet-Surfer in Deutschland versucht, eine gesperrte Seite aufzurufen, wird zu einer erläuternden Stopp-Seite weitergeleitet.

Im Bundestag verteidigte die Koalition das Projekt eher matt. Die leicht zu umgehenden Sperren erschwerten den Zugang vor allem für "Zufallnutzer" von Kinderpornographie, sagte Martina Krogmann (CDU). Mit den Sperren könne man immerhin auf "einen Teil" der Kinderporno-Konsumenten einwirken, erklärte Martin Dörmann (SPD).

"Die Regierung begnügt sich mit einer Scheinaktivität", kritisierte dagegen Max Stadler (FDP). Mit den Zugangssperren werde nur ein "Vorhang vor das Geschehen" gezogen, höhnte Wolfgang Wieland (Grüne).

Die Koalition betonte, dass man viele Forderungen der Kritiker und aus einer Expertenanhörung aufgenommen habe. So drohe Internet-Surfern, die (zufällig) auf einer gesperrten Seite landen, keine Strafverfolgung mehr. Und ein unabhängiges Gremium aus fünf Fachleuten solle laufend überprüfen, ob das BKA wirklich nur Kinderporno-Seiten sperrt. Das Gesetz wird zudem auf drei Jahre befristet. Auch die Opposition erkannte an, dass dem Gesetz damit einige "Giftzähne" gezogen wurden, bemängelte aber die dadurch ausgelöste Hektik im Gesetzgebungsverfahren.

CDU-Frau Krogmann forderte die Netz-Community auf, sich nun "nicht zu verweigern", sondern Personalvorschläge für das Kontrollgremium zu machen. Das Gremium selbst wurde gestern von der Opposition überwiegend kritisiert. "Hier wird nur eine rechtstaatliche Kontrolle vorgegaukelt", sage Jörn Wunderlich (Linke). FDP und Grüne fragten, warum man denn die Sperr-Entscheidungen nicht einem Richter überlassen habe.

Verständnis fand in der Opposition die Kritik von Peter Schaar, dem Bundesberauftragte für Datenschutz. Er hatte in der taz bemängelt, dass das Kontrollgremium bei ihm als Datenschutzbeauftragten angesiedelt sei. Er kenne sich mit der Kinderporno-Thematik aber gar nicht aus, sagte Schaar Anfang der Woche. "Das Kontrollgremium gehört da nicht hin", betonte jetzt auch Max Stadler (FDP); der Datenschutzbeauftragte solle sich nicht an polizeilichen Aufgaben beteiligen. Dagegen erinnerte Michaela Noll (CDU) daran, dass Schaar ja "nur das Kontrollgremium bestellen" und nicht selbst kontrollieren soll. Ihre Fraktionskollegin Krogmann hielt Schaar für "genau den richtigen Mann", Schaars Kritik an seiner neuen Aufgabe nannte sie "abenteuerlich". Martin Dörmann (SPD) vermutete, dass das öffentliche Unverständnis noch größer gewesen wäre, wenn man das Kontrollgremium nicht beim Datenschutz-Beauftragten angesiedelt hätte.

SPD und CDU/CSU versicherten im Bundestag, dass die Internetsperren auch in Zukunft nur für Kinderporno-Seiten gelten sollen. An eine Ausweitung sei nicht gedacht. "Es wäre unmöglich und völlig unverhältnismäßig, alle rechtswidrigen Inhalte im Internet zu sperren", erklärte Martina Krogmann (CDU). "Am Anfang sagen Sie immer, dass eine neue Maßnahme nicht ausgeweitet werden soll", gab Max Stadler (FDP) zu bedenken. Martin Dörmann (SPD) meinte, dass die Sperr-Infrastruktur auch ohne das Gesetz gekommen wäre, weil die Provider entsprechende Verträge mit Ministerin von der Leyen abgeschlossen haben.

Max Stadler (FDP) erklärte, dass das Donnerstag beschlossene Gesetz verfassungswidrig sein könnte, weil nur die Länder derartige Gesetze zur Gefahrenabwehr beschließen dürfen - und nicht der Bund. SPDler Dörmann erwiderte, der Bund sei für das "Recht der Wirtschaft" zuständig. Nicht einmal der Bundesrat als Länderkammer habe etwas gegen ein Gesetz des Bundes.

Bei der Abstimmung votierten am Ende 389 Abgeordnete für das Gesetz und 128 dagegen. Nur drei SPDler, darunter Datenschutz-Experte Jörg Tauss, und ein CDUler stimmten gegen das Gesetz. FDP und Linke stimmten geschlossen dagegen, bei den Grünen gab es auch viele Enthaltungen.

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