Fragwürdige Gutachten: Zweifel an Klimaprojekten

Eine WWF-Studie bemängelt die Qualität und die fehlende Unabhängigkeit von Gutachtern, die vom Norden finanzierte Projekte in Entwicklungsländern bewerten.

Kohlendioxid wird hier freigesetzt, der Klimaschutz wird in den Entwicklungsländern betrieben. Bild: dpa

Ein zentrales Instrument des Klimaschutzes steht in der Kritik: Bei vielen Klimaprojekten, die von Unternehmen aus Industriestaaten in Entwicklungsländern finanziert werden, arbeiten die zuständigen Gutachter mittelmäßig bis schlecht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Öko-Instituts, die im Auftrag der Umweltstiftung WWF durchgeführt worden war. Über 50 Prozent der Projektanträge waren demnach mangelhaft. Grund für die schlechte Qualität ist laut Öko-Institut vor allem die fehlende Unabhängigkeit der Gutachter, die von den Projektentwicklern bezahlt werden.

Der "Mechanismus für saubere Entwicklung" (Clean Development Mechanism - CDM) erlaubt es Industriestaaten oder deren Unternehmen, im Rahmen des Kioto-Protokolls in Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern zu investieren. Für die dort eingesparten CO2-Emissionen erhalten sie Zertifikate. Diese können sie verkaufen oder selbst nutzen, um mehr Treibhausgase auszustoßen.

Über 1.400 Projekte sind bisher registriert worden. Dadurch sollen 220 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Die meisten Projekte befinden sich in China, Brasilien und Indien.

Verhandelt wird derzeit über die Zukunft des CDM nach 2012, wenn das Kioto-Protokoll ausläuft. Umstritten ist, inwieweit sich Industriestaaten durch CDM von eigenen Reduktionen "freikaufen" können und wie der Prozess überprüft wird. (MKR)

Es handelt sich um Projekte im Rahmen des Mechanismus zum Clean Development (CDM). Der funktioniert folgendermaßen: Investoren aus Industriestaaten finanzieren Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern, etwa eine Windkraftanlage in Indien. Die dort eingesparten Treibhausgas-Emissionen können sie sich dann anrechnen lassen und im Gegenzug im eigenen Land mehr ausstoßen. Die Anträge für solche Projekte werden von zugelassenen Gutachtern nach UN-Kriterien bewertet, danach entscheidet der CDM-Exekutivrat der UN über die Genehmigung.

"Viele Gutachter reichen bei den UN Projektanträge ein, die gravierende Mängel aufweisen", sagt Regine Günther, Klimaexpertin beim WWF. "Mit dem Versagen der Prüforganisationen steht auch die Qualität der Klimaprojekte in Entwicklungsländern in Frage." Der WWF fordert die UN darum auf, die derzeit laufenden Klimaverhandlungen in Bonn zu nutzen, um den CDM-Prozess zu verbessern.

Das Öko-Institut hat alle 900 Projekte untersucht, über die der UN-Exekutivrat zwischen April 2007 und März 2009 endgültig entschieden hat. Die Studie bewertet die Gutachter danach, wie oft ein Antrag von den UN bemängelt oder gänzlich zurückgewiesen wurde. Mit A wurde bewertet, bei wem mindestens 95 Prozent aller Anträge ohne Weiteres genehmigt wurden. Bei der schlechtesten Bewertung (F) wurden nur 20 Prozent der Anträge anstandslos genehmigt.

Das Ergebnis: Keine der geprüften Gutachterorganisationen erfüllte die Anforderungen der ersten drei Plätze. Der TÜV-Süd und TÜV-Nord führen mit einer D-Platzierung die Liste an. Insgesamt wurden über 50 Prozent der Anträge bemängelt.

Ein Hauptgrund für die Zurückweisung eines Projektantrags ist laut Studienleiter Lambert Schneider die fehlende "Zusätzlichkeit". Denn entscheidend ist bei CDM, ob ein Projekt in dem Entwicklungsland ohnehin umgesetzt würde oder erst durch die zusätzlichen Investitionen ermöglicht wird.

Als Ursache für die mangelnde Qualität der Gutachter vermutet Schneider einen Interessenkonflikt. Denn einerseits sollen die Gutachter die Projektanträge unabhängig bewerten, andererseits werden sie von den Projektentwicklern selbst ausgesucht und auch bezahlt. "Ein wichtiger Schritt wäre es, die Unabhängigkeit der Gutachter sicherzustellen. Deshalb sollten sie von den UN bezahlt werden", sagt Schneider. "Das System sollte nicht so funktionieren, dass die UN überall noch mal drüber schauen müssen, um mögliche Fehler zu erkennen." Schneider geht davon aus, dass immer noch viele Projekte durchgehen, die nicht zusätzlich sind. Insgesamt erwartet Schneider in Zukunft eine verbesserte Qualität. "Wir haben schon ehrgeizige Kriterien angelegt. Nun hoffen wir, mit der Studie Druck ausüben zu können, damit die Gutachter ihre Qualität verbessern."

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