Kolumne Landmänner: Ein Besuch in Brandenburgs Area 51

Doch keine Bomben auf die freie Heide? Über die verbindende Kraft des gemeinsamen Kampfes.

Sind Sie schon mal auf einer Privatstraße des Bundes unterwegs gewesen? Das ist richtig gefährlich. Nicht weil Wolfgang Schäuble auf einen lauert, um einem Fingerabdrücke abzunehmen. Stattdessen erteilt einem Fidel Castro dringende Ratschläge: "Vorsicht Blindgänger! Das Übungsgelände zu betreten ist streng verboten und wird strafrechtlich verfolgt. Der Kommandant". Brandenburgs Area 51, das ist der militärische Sperrbezirk der Kyritz-Ruppiner Heide, vormals ein Spielplatz des Warschauer Pakts.

So weit, so politisch, bloß Blindgänger. Und nun hört man auch noch aus Kreisen des Verteidigungsministeriums, dass man noch vor der Bundestagswahl in Erwägung zieht, auf das hier geplante "Bombodrom" zu verzichten, einen "Luft-Boden-Schießplatz" nämlich. Während mein Freund und ich vorsichtig über die Privatstraße des Bundes fuhren, entlang der schon ganz schön groß gewordenen Kiefern, die sich dort zu Zwischennutzungszwecken tummeln, war ich zu beschäftigt, um mir über die weitläufigen Konsequenzen dieser über Deutschlandradio verkündeten Botschaft klar zu werden: Ich musste feindliche Tiefergelegt-Flieger mit dreistelligem Umland-Kennzeichen abwehren, die an meinem Kofferraum klebten. Gott sei Dank sind meine Wisch-Wasch-Düsen auf Ackerbewässerungsmodus justiert.

Als der OPR-Opel-Astra dann doch an uns vorbeizog, sah ich einen "Freie Heide"-Aufkleber auf seinem Heck. Ja, eben: Was, wenn nicht der gemeinsame unbewaffnete Kampf gegen das Bombodrom und für die Freie Heide soll uns nun in Zukunft verbinden? "Uns", das sind all die bellenden Brandenburger in ihren von Bevölkerungsschwund bedrohten Dörfern und Städten sowie die kläffenden Berliner, die sich am Wochenende redlich mühen, die Lücken zu schließen. "Uns", das sind Menschen, die das Landleben todernst meinen, weil sie es nicht anders kennen, und Menschen, die das Landleben lieben, weil sie es nicht kennen. "Uns", das sind Menschen aus Ost und West, Jung und Alt, bildungsfern und bildungsnah. Und doch waren wir uns wenigstens in einem einig: Bomben nun lieber nicht.

Mein Freund erzählte nun, wie früher die Scheiben wackelten, wenn die Russen mit ihren MIGs herumschwirrten und die Heide mit Bomben umpflügten - und ich erinnerte mich an die Tiefflieger von den diversen US-Air-Bases in meiner West-Heimat, die ausgerechnet unser Haus als Übungsanflugsziel zu benutzen schienen.

Als der OPR-Opel um die übernächste Ecke verschwunden war, hatte mein Freund die rettende Idee: Opel gehört doch jetzt nicht mehr den Amerikanern, sondern den Russen. Dank des deutschen Bundes, der hier eine Privatstraße hat. Anstatt also weiter in der Kyritzer Heide heimlich an UFOs rumzuschrauben, die vom Spritverbrauch her längst am Markt vorbeigehen, sollte man hier ein Opel-Werk errichten. Nur für Drei-Liter-Corsas mit korrekt justierten Wisch-Wasch-Düsen. Peace!

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* 21. Februar 1973 in Wittlich; † 26. Mai 2023 in Berlin, war Redakteur der taz am Wochenende. Sein Schwerpunkt lag auf gesellschaftlichen und LGBTI-Themen. Er veröffentlichte mehrere Bücher im Fischer Taschenbuchverlag („Generation Umhängetasche“, „Landlust“ und „Vertragt Euch“). Zuletzt erschien von ihm "Die Kapsel. Aids in der Bundesrepublik" im Suhrkamp-Verlag (2018). Martin Reichert lebte mit seinem Lebensgefährten in Berlin-Neukölln - und so oft es ging in Slowenien

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