SPD-Doku über NPD-Bekenntnisse: Nicht verbotsreif

Experten glauben nicht daran, dass das Material der SPD für ein Verbotsverfahren gegen die rechte Partei ausreicht. Ihr müssten konkrete Umsturzpläne nachgewiesen werden

NPD-Demo in Stendal. Sieht das schon nach einem Versuch zum Umsturz aus? Bild: dpa

BERLIN taz | "Eine schöne Fleißarbeit", sagt Ulli Jentzsch. "Aber viel Neues steht leider nicht drin." Jentzsch arbeitet für das Antifaschistische Pressearchiv in Berlin, seit Anfang der 1990er-Jahre dokumentieren sie dort so ziemlich alles, was Rechtsextreme in Deutschland veröffentlichen. Sie verfahren so, wie die SPD-Innenminister mit ihrer NPD-Dokumentation auch verfahren sind - nur ausführlicher. Das Urteil der Archivare über die sozialdemokratische Zitatsammlung: Der Bericht könne durchaus eine öffentliche Diskussion über die NPD anstoßen. Für ein Verbot reiche er aber nicht aus.

Eine Einschätzung, die viele Experten teilen. Die SPD weiche der eigentlich wichtigen Frage aus, kritisiert beispielsweise David Begrich vom Verein Miteinander in Sachsen-Anhalt. Er berät Politiker im Umgang mit Rechtsextremen und gilt als Kenner von NPD und Freien Kameradschaften. "Die SPD-Innenminister können mit diesem Dokument lediglich nachweisen, dass die NPD verfassungsfeindlich ist", sagt Begrich. "Sie haben beispielsweise Belege dafür, dass die NPD die Demokratie beseitigen will." Das sei aber unbestritten und reiche für ein Verbot nicht aus.

In einem Verbotsverfahren müsse der NPD ihre Verfassungswidrigkeit nachgewiesen werden. "Dafür ist nicht entscheidend, ob die Partei den Sturz des derzeitigen politischen Systems möchte, sondern ob sie ihn tatsächlich vorbereitet", erklärt Begrich. Solche Pläne zu belegen, gelinge den Sozialdemokraten mit ihrer Zitatsammlung in keiner Weise.

Des Weiteren kritisiert Begrich, dass der Bericht die Ideologie der NPD in zerstückelten Häppchen darbiete: "Da wird an einer Stelle angeführt, die NPD vertrete eine kollektivistische Grundhaltung. An anderer Stelle heißt es, sie vertritt biologistische Positionen", sagt der Rechtsextremismusexperte. "Ein kollektivistisches Weltbild kann man aber auch dem Godesberger Programm der SPD unterstellen, und das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht beruht leider auch noch immer zum Teil auf biologistischen Annahmen." Hier hätten es die Sozialdemokraten versäumt, die Puzzleteile zusammenzusetzen und zu zeigen, dass die NPD das Ziel einer ethnisch homogenen, völkisch geprägten Gesellschaft verfolge.

Auch der sächsische grüne Landtagspolitiker Johannes Lichdi sieht keinen Gewinn im SPD-Bericht. Lichdi kennt die Nationaldemokraten aus nächster Nähe, denn sie sitzen mit ihm im Dresdner Parlament. Seit langem engagiert er sich im Land gegen die Rechtsextremen, des Öfteren haben diese ihn deswegen bedroht. "Mit ihrer Dokumentation hat die SPD die Rechtsextremen sogar gestärkt, weil sie etwas verspricht, was sie nicht halten kann", sagt Lichdi. Der Rechtsanwalt glaubt ebenso wenig wie David Begrich, dass sich eine Verfassungswidrigkeit mit dem Material nachweisen lässt. Die SPD suggeriere den Menschen dennoch, dass ein Verbot möglich sei.

Der Abgeordnete ist allerdings an sich kein Freund des NPD-Verbots. "Uns würde das hier in keiner Weise helfen", sagt er. Die gewaltbereiten Kameradschaften seien in Sachsen bei weitem bedeutender als die Partei und ihnen könne mit dem Verbot nicht Einhalt geboten werden. Im Gegenteil: "Wenn die NPD weg ist, werden die Kameraden das Vakuum ausfüllen und noch stärker werden", sagt Lichdi. "Nur wird die Öffentlichkeit das nicht mehr interessieren, weil sie glaubt, das Problem sei mit der NPD beseitigt worden."

DANIEL SCHULZ

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